Berlin Hebammen geraten noch mehr unter Druck

Berlin · Weil die Kosten für Haftpflichtversicherungen gestiegen sind, stellt sich für viele Geburtshelferinnen die Existenzfrage.

Vorsorge, Geburtshilfe, Nachsorge: Freiberufliche Hebammen sind für viele Mütter und Väter unverzichtbare Ansprechpartnerinnen und Begleitpersonen rund um die Geburt eines Kindes. Doch der Berufsstand gerät wegen steigender Kosten zunehmend in Bedrängnis. Denn die Prämien für die obligatorische Berufshaftpflichtversicherung steigen zum 1. Juli erneut, und zwar von bisher 6274 auf künftig 6843 Euro pro Jahr. Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) könnten sich viele Hebammen, die teils nur einen Jahresumsatz von etwa 17.000 Euro hätten, das kaum mehr leisten. "Wenn wir nicht endlich eine tragbare Lösung bekommen, steigen die Haftpflichtprämien jährlich weiter, und immer mehr Hebammen steigen aus dem Beruf aus", sagte DHV-Präsidentin Martina Klenk. Politik und Krankenkassen täten zu wenig, um die freiberufliche Geburtshilfe zu sichern.

Derzeit arbeiten deutschlandweit noch rund 2600 freiberufliche Hebammen in der Geburtshilfe. Die meisten von ihnen sind in Krankenhäusern tätig und begleiten dort als Beleg-Hebammen Frauen bei der Geburt.

Rund 20 Prozent aller Geburten in Deutschland werden von Hebammen geleitet, für 2015 entspricht das knapp 150.000 Fällen. Um die Hebammen bei etwaigen medizinischen Fehlern abzusichern, müssen sie eine Haftpflichtversicherung abschließen. Die ist jedoch in den vergangenen Jahren mehr und mehr zum Politikum geworden. Weil aus wirtschaftlichen Gründen immer weniger Hebammen Geburtshilfe anbieten, sind die Prämien zuletzt deutlich gestiegen.

Vom 1. Juli an gilt nun für zwei Jahre ein Vertrag des DHV mit einem Versicherungskonsortium. Die Hebammen müssen von den knapp 7000 Euro trotz eines Ausgleichs, den die Krankenkassen auf Antrag hinzuzahlen, noch rund 2000 Euro selbst tragen und die Prämie im Voraus überweisen. Für viele zumeist in Teilzeit tätige Hebammen ist das immer noch eine große finanzielle Last. DHV-Verhandlungsführerin Katharina Jeschke streitet daher seit Jahren mit dem Spitzenverband der Krankenkassen über die Vergütung der freiberuflichen Hebammen und den Umfang der Ausgleichszahlungen für die Haftpflichtprämien.

Jeschke kritisierte gestern in Berlin, gesetzliche Reformen in der jüngsten Vergangenheit hätten im Ergebnis zu einer noch geringeren Vergütung geführt. Grund dafür seien Kriterien, die an die Ausgleichszahlungen geknüpft sind, die viele Hebammen nicht erfüllen könnten. Einige davon seien zudem lebensfremd und zu starr. So gebe es kein Geld, wenn nicht in jedem Quartal eine Geburt abgerechnet werde. Zudem entgingen vielen Hebammen Erstattungen der Kassen für Hausgeburten, weil die Vorgaben zur Abrechnung zu eng gefasst seien.

Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums teilte auf Anfrage mit, man brauche eine flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe. Sie verwies auf bereits laufende Maßnahmen wie den sogenannten Sicherstellungszuschlag, den der DHV jedoch als unwirksam kritisiert.

Die Pflegeexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, forderte eine Haftpflichtversicherung für alle Gesundheitsberufe, die Hebammen dauerhaft absichere. Die SPD verlangte, die Versicherer müssten ihre Kalkulationen offenlegen.

(jd/qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort