Der Altkanzler erhebt schwere Vorwürfe Helmut Schmidt kritisiert Wulff

Berlin · Der Altkanzler wirft dem zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff vor, dem Amt des Staatsoberhaupts schweren Schaden zugefügt zu haben. Die SPD will Wulff die Verabschiedung mit militärischen Ehren streichen. Union und FDP beraten über Kürzungen der Privilegien.

Nun auch noch der Altkanzler. Die Negativnachrichten für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff reißen nicht ab. Der frühere Kanzler Helmut Schmidt (SPD) hat Wulff in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung scharf kritisiert und zugleich mit der These einer vermeintlichen Medienkampagne gegen Wulff aufgeräumt: "Er ist ein Opfer seiner selbst", stellte Schmidt nüchtern fest. Dem Amt des Staatsoberhaupts habe Wulff "schweren Schaden" zugefügt. "Er hat gleich die gesamte politische Klasse mit beschädigt", sagte Schmidt.

"Wulff war zehn Jahre zu jung"

Der 93-jährige Altkanzler nannte das Alter Wulffs als Argument gegen eine erfolgreiche Präsidentschaft. Wulff sei nicht nur als Ministerpräsident von Niedersachsen zu jung gewesen (Wulff war 2003 beim Regierungswechsel in Hannover 43 Jahre alt), sondern auch für das höchste Staatsamt "zehn Jahre zu jung", so Schmidt.

Christian Wulff war Mitte Februar nach nur knapp 600 Tagen im Amt als Präsident zurückgetreten. Er war das jüngste Staatsoberhaupt aller Zeiten. Doch Vorwürfe rund um einen privaten zinsgünstigen Hauskredit und bezahlte Urlaube bei wohlhabenden Freunden hatten den früheren CDU-Ministerpräsidenten schwer unter Druck gesetzt. Als die Staatsanwaltschaft Hannover ankündigte, gegen Wulff und seinen Unternehmer-Freund David Groenewold wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung zu ermitteln, trat Wulff zurück. Wie aus Regierungskreisen verlautete, hatte Kanzlerin Angela Merkel Wulff signalisiert, dass sie bei der Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen einen Rücktritt für unausweichlich halte.

Am Donnerstag soll Christian Wulff vom Stabsmusikkorps der Bundeswehr im Park von Schloss Bellevue mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet werden. Diese Ehre hatte ihm Minister Thomas de Maizière (CDU) zugestanden. In der SPD werden nun Forderungen laut, Wulff die Abschiedsfeier zu streichen. "Ich halte den Großen Zapfenstreich für Herrn Wulff für unangemessen", sagte der Sprecher des "Seeheimer Kreises" in der SPD, der Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs.

Regierungssprecher Steffen Seibert wies das zurück und nannte die militärische Zeremonie "angemessen". Der ehemalige Präsident habe sich in seiner Amtszeit um die Bundeswehr gekümmert. Zudem stehe der Zapfenstreich "ganz und gar in der Tradition der Bundeswehr".

Wulff hat sich zum Abschied das Lied "Ebony and Ivory" von Ex-Beatle Paul McCartney und Stevie Wonder aus dem Jahr 1982 gewünscht. Mit dem Titel (auf deutsch "Ebenholz und Elfenbein") warben die Musiker für ein friedliches Zusammenleben der Kulturen. Wulff will damit offenbar ein Signal setzen. Er hatte sich in seiner Amtszeit besonders für die Integration der Muslime eingesetzt und mit dem Satz "Der Islam gehört auch zu Deutschland" die Integrationsdebatte befeuert.

Traditionell nehmen die Vertreter der Verfassungsorgane an der Veranstaltung teil, also Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesratspräsident Horst Seehofer als derzeit amtierendes Staatsoberhaupt. Auch Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), Außenminister Guido Westerwelle und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (beide FDP) wollen teilnehmen.

Derweil geht die Debatte über die Privilegien, die Wulff nach dem Ausscheiden aus dem Amt formal zustehen, weiter. Wie alle Bundespräsidenten vorher hat Wulff nicht nur Anspruch auf den sogenannten Ehrensold, ein Ruhegeld bis ans Lebensende in Höhe von 199 000 Euro, sondern auch auf ein eigenes Büro, Dienstwagen und Mitarbeiter. Der Ehrensold steht jedem früheren Bundespräsidenten seit Heinrich Lübke automatisch zu.

Den Antrag auf die übrigen Privilegien können die Haushälter im Bundestag allerdings ablehnen. Einen Antrag hat das Präsidialamt entgegen anderslautenden Medienberichten bisher aber nicht gestellt. In Unionskreisen wird allerdings erwartet, dass Wulff darauf nicht verzichten will. Sobald der Antrag eingeht, muss der Haushaltsausschuss entscheiden. "Das Ergebnis der Beratungen könnte dann sein, dass Christian Wulff zumindest teilweise auf Privilegien verzichten muss", sagte der CSU-Abgeordnete Herbert Frankenhauser. SPD und Grüne hatten dies bereits am vergangenen Wochenende gefordert.

Im Schnitt kostet die Ausstattung der Ex-Präsidenten mit Büro und Fahrdienst den Steuerzahler rund 300 000 Euro pro Jahr. Die Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Wulff auf, auf die Privilegien zu verzichten. Schließlich habe Wulff selbst vor seiner Amtszeit in einem Interview gesagt, dass er bis zum Alter von 67 selbst für sich sorgen wolle.

(RP/jh-)
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