Ostern Hier schreibt Rainer Maria Kardinal Woelki

Syrien, Irak, Ukraine, Nigeria - täglich hören und lesen wir von Gewaltausbrüchen, Terror, Folter, Flucht und Vertreibung. Anscheinend befinden wir uns in einer Zeit der dunklen Mächte. In einer Zeit, in der die Friedfertigen überhört, überwältigt und getötet werden. Ein fortwährender Karfreitag, ein vielfacher Todestag von Jesus Christus. Religiöse Minderheiten werden verfolgt, Andersdenkende getötet, Frauen misshandelt, Kinder zu Soldaten gemacht.

Die Gewalt scheint enthemmt. Getötet wird nicht selten im Namen Gottes. Und selbst diejenigen werden zu Opfern, die schlichten, helfen oder berichten wollen: Vermittler, Entwicklungshelfer, Sanitäter, Journalisten.

Damals, zu Zeiten Jesu, wie heute sind es wenige Anführer, die das Volk aufwiegeln und Hass schüren. Gegen Minderheiten, gegen die vermeintlich Schwächeren, gegen die Anderen, von denen sie sich bedroht fühlen. Und eben gegen jenen einen Menschen, den die Armen als barmherzig, helfend, heilend, ihnen Recht verschaffend und ihre Würde achtend erleben.

Vor fast 2000 Jahren wurde dieser Jesus von Nazareth zum Tode verurteilt aufgrund von Hetze, Hass und Angst und gleich darauf ans Kreuz genagelt. Bis heute wiederholt sich dieser Karfreitag an vielen Orten der Welt.

Und wie lautet die Antwort Gottes? Sie ist zunächst wenig befriedigend, geradezu unfassbar. Denn dieses unglaubliche Unrecht, diese ausufernde Gewalt auf der Welt hat nach menschlichen Kategorien keine einhaltgebietenden Konsequenzen. Weder die heutigen Anführer noch die Verräter aus der Zeit Jesu trifft der göttliche Bannstrahl oder einfach der Blitz. Die göttliche Botschaft lautet: Seid stark ohne Gewalt!

In der Nacht des Karsamstags hat Gott ein großes Zeichen in die Welt gesetzt. Wir Christen glauben, dass er seinen Sohn vom Tode auferweckt hat. Neues Leben ist entstanden. Eine Botschaft, die solidarisch mit den Opfern bleibt und stärker ist als der Vernichtungswille der Täter, sogar stärker als der Tod.

Von dieser Botschaft spricht man bis heute. Die Spannung von Karfreitag und Ostern bleibt zwar in der Welt. Nur dass die christliche Botschaft einen Ausweg aus der Gewaltspirale zeigt. Sie motiviert uns zu Solidarität mit den Opfern und Flüchtlingen, zu Gewaltlosigkeit und diplomatischen Aktivitäten. Nicht Waffenlieferungen werden Konflikte lösen, sondern Gespräche und Verhandlungen. Nicht Flächenbombardements beenden den Terror, sondern Gerechtigkeit für die Menschen und echte Entwicklungsperspektiven.

Nicht eine immer stärkere Abschottung der Festung Europa darf die Folge der Kriege und Krisen in der Welt sein - sie wird Menschen nicht daran hindern, ihre Heimat zu verlassen -, sondern echte Hilfsbereitschaft für Menschen in Not. Es ist makaber, dass die Europäische Union immer noch so riesige Summen in die Abdichtung der Außengrenzen steckt, statt Flüchtlinge zu retten.

Die Osterbotschaft ist eine zutiefst friedliche und kann das Blatt wenden. Ostern verändert die Haltung in Gottes Namen: Die Perspektive ist die Überwindung des Karfreitags und bedeutet Leben in Frieden.

(RP)
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