New York Clinton sagt Wahlkampftermine nach Zusammenbruch ab

New York · Grund für den Schwächeanfall am Wochenende war eine verschleppte Lungenentzündung - für Kritiker ein gefundenes Fressen.

Hillary Clinton sagt Wahlkampftermine nach Schwächeanfall ab
Foto: rtr, KC

Als Hillary Clinton die Wohnung ihrer Tochter Chelsea verließ, wo sie sich nach einem Schwächeanfall zwei Stunden lang ausgeruht hatte, versuchte sie, so fidel zu wirken, als gäbe es nichts Schöneres, als an einem Sonntag in Manhattan vor einem Pulk von Kameraleuten schauspielern zu müssen. Sie lächelte, sie winkte, sie posierte mit einer Schülerin für ein Erinnerungsfoto. Sie fühle sich großartig, rief sie den Reportern auf dem Bürgersteig zu, bevor sie mit ihren Bodyguards davonfuhr.

Die Szene im Flatiron District Manhattans dürfte ihr einiges an Kraft abverlangt haben, denn im Moment ist es um Clintons Gesundheitszustand nicht gut bestellt. Am Sonntagvormittag musste die Präsidentschaftskandidatin bei einer Feier zum Gedenken an die Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 vorzeitig das Feld räumen, nachdem sie rund neunzig Minuten in schwüler Hitze durchgehalten hatte. Ein Passant stellte ein Video ins Netz, das für Wirbel sorgte. Es zeigt, wie Clinton von ihrer Assistentin gestützt werden muss, als sie am Ground Zero auf einen Van wartet. Es zeigt, wie sie kurz vor dem Einsteigen in die Knie geht und ihre Leibwächter sie auffangen; wie sie kurz die Kontrolle über ihren Körper verliert und möglicherweise auch ihr Bewusstsein.

Hinterher ließ ihr Stab einsilbig verlauten, die Kandidatin habe sich "überhitzt" gefühlt. Dann schob ihre Ärztin Lisa Bardack eine Erklärung hinterher, die das Karussell der Spekulationen zusätzlich in Schwung brachte. Frau Clinton habe für längere Zeit unter chronischem Husten gelitten und sich am Freitag schließlich untersuchen lassen. Dabei habe sie eine Lungenentzündung diagnostiziert, ihr Antibiotika gegeben und den Rat, kürzerzutreten - worauf Clinton eine für Montag und Dienstag geplante Reise nach Kalifornien absagte.

Die Episode ist ein gefundenes Fressen für alle, die glauben, Hillary habe wieder einmal etwas zu verbergen. Es liegt auch an ihrer Neigung zur Geheimniskrämerei, dass ihr nach aktuellen Umfragen nur 35 Prozent ihrer Landsleute vertrauen. Hätte sie die Zeremonie am Ground Zero nicht vorzeitig verlassen müssen, wäre das mit der Lungenentzündung wahrscheinlich nie publik geworden. Wieder einmal wirkte es so, als scheue sie die Transparenz, die Amerikaner von ihren Wahlkämpfern erwarten, gerade auf der Zielgeraden. Dabei ist die Gesundheit der früheren Außenministerin schon deshalb ein Thema, weil sie im Oktober ihren 69. Geburtstag feiert. Gewinnt sie im November das Votum, hätte sie den von Ronald Reagan gehaltenen Altersrekord fast eingestellt. Der Republikaner hatte 1980 sein erstes Präsidentschaftsduell ebenfalls mit 69 Jahren für sich entschieden - wenige Monate älter, als die Demokratin es heute ist.

Donald Trump wirft seiner Rivalin vor, ihr fehle die physische Stärke, um im Oval Office regieren zu können. Dabei gibt auch die Belastbarkeit des Baulöwen Anlass zu Spekulationen, allein schon, weil der Mann siebzig ist. John McCain, 71 Jahre alt, als er sich fürs Weiße Haus bewarb, machte 2008 eine 1173 Seiten dicke Krankenakte publik, um Bedenken zu zerstreuen. Der Leibarzt des Immobilienmoguls, Harold Bornstein, beließ es bislang bei der ebenso knappen wie euphorischen Feststellung, dass Trump der gesündeste Präsident wäre, der jemals gewählt wurde. Näheres soll nur dann preisgegeben werden, wenn auch Clinton Farbe bekennt.

(RP)
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