Brüssel Hollande drängt Merkel zur Einigung mit Athen

Brüssel · Fast euphorisch begrüßen einige Länder die neuen Vorschläge aus Griechenland. Die Reformen sollen das Defizit um zwölf Milliarden Euro senken. Die Bundesregierung gibt sich zurückhaltender.

Vor dem für die Zukunft Griechenlands und Europas entscheidenden Wochenende haben führende EU-Politiker unterschiedlich auf die Spar- und Reformvorschläge aus Athen reagiert. Für eine Einigung auf dieser Grundlage plädierten gestern vor allem die sozialdemokratisch regierten Länder Frankreich, Italien und Österreich. Zurückhaltend oder überhaupt nicht äußerten sich dagegen Euro-Staaten wie Deutschland, die Niederlande, Finnland und die Slowakei, die im Schuldendrama bislang eine eher härtere Linie verfolgten.

Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte in der Nacht zu gestern eine neue Reformliste eingereicht, die unter anderem Steuererhöhungen für Konsumgüter und Unternehmen, Kürzungen der Militärausgaben und eine Rentenreform vorsieht. Damit könnte der Saldo des griechischen Haushalts um zwölf Milliarden Euro verbessert werden.

Beim Kurznachrichtendienst Twitter teilte Frankreichs Staatschef François Hollande mit, das griechische Papier sei "seriös, glaubwürdig und zeigt eine Entschlossenheit, in der Euro-Zone zu bleiben". Allerdings sei auch "noch nichts entschieden". Bei den Treffen der Finanzminister sowie der Staats- und Regierungschefs heute und morgen müsse nun, so Hollande, "eine Einigung erzielt werden, die die europäischen Regeln wie die Griechen respektiert, die viel gelitten haben".

In französischen Diplomatenkreisen wurde unserer Zeitung bestätigt, dass es in den vergangenen Tagen intensive Kontakte zwischen Paris und Athen "auf Präsidenten-, Minister- und Verwaltungsebene" gegeben habe. "Wir haben nicht direkt an den Vorschlägen mitgeschrieben, aber Orientierung gegeben, was für andere Euro-Staaten akzeptabel sein könnte und was nicht", sagte ein EU-Diplomat. "Vor allem haben wir klargestellt, dass die kurzfristigen Maßnahmen sehr nah am letzten Angebot der Geldgeberseite sein müssen."

Premier Tsipras wollte sich vom Athener Parlament in der Nacht die Zustimmung für ein Mandat holen, auf Grundlage dieser Vorschläge zu verhandeln. Dabei galt es als wahrscheinlich, dass mehrere Oppositionsparteien zustimmen, viele Abgeordnete seines Syriza-Bündnisses jedoch ablehnen würden. Der Finanzausschuss billigte die Reformliste am späten Abend.

Aus Berlin kamen gestern abwartende bis skeptische Töne. Ein Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, der Ausgang sei "völlig offen". So reiche es auch nicht, dass die Vorschläge von Ende Juni in neuer Verpackung präsentiert würden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag erklärt, die griechische Seite müsse nun mehr liefern, da es nicht länger um eine Programmverlängerung bis November, sondern ein neues, drittes Hilfsprogramm gehe. Allerdings ist die Bundesregierung offenbar bereit, wenn auch nicht über einen klassischen Schuldenschnitt, so aber doch über eine Umschuldung zu reden.

Der niederländische Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem erklärte, man werde die Vorschläge erst nach einer Analyse durch die Finanzexperten der drei Institutionen (EU-Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds) kommentieren. Diese sollten neben dem auf mehr als 50 Milliarden Euro für drei Jahre geschätzten Finanzbedarf auch die Schuldentragfähigkeit Griechenlands ermitteln sowie eine Analyse erstellen, ob ein Staatsbankrott die Währungsunion insgesamt gefährdet. Diese Prüfung ist Voraussetzung für ein drittes Hilfsprogramm, über das anschließend sechs Parlamente, darunter der Bundestag, in kürzester Zeit abstimmen müssten.

Die jüngsten Vorschläge aus Athen stoßen bei führenden Unionspolitikern auf Skepsis. Der für Wirtschaftspolitik zuständige Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs sagte unserer Zeitung: "Das vorgelegte Paket ist jedenfalls so noch nicht glaubwürdig. Mein Vertrauen in die griechische Regierung ist fast auf dem Nullpunkt." Der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, sagte: "In den Vorschlägen entdecke ich nichts substanziell Neues." Einen Schuldenschnitt lehnt er ab. Den habe es vor zwei Jahren zulasten privater Gläubiger bereits gegeben.

Unterdessen wird nach Informationen unserer Zeitung in der Unionsfraktion damit gerechnet, dass der Bundestag spätestens Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammentritt, um den Weg für Verhandlungen freizumachen.

(RP)
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