CSU-Klausur in Wildbad Kreuth Seehofer will 2017 die absolute Mehrheit im Bund für die Union

Berlin · Vor Kreuth hat der CSU-Chef offenbar aus dem Europawahl-Desaster gelernt. Jetzt will Horst Seehofer die absolute Mehrheit für die Union im Bund.

Horst Seehofer – Merkels mächtiger Gegenspieler im Foto-Porträt
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Horst Seehofer - Merkels mächtiger Gegenspieler

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Foto: dpa/Sven Hoppe

Für CSU-Chef Horst Seehofer könnte das Jahr, das einen herausragenden symbolischen Termin bereithält, kaum schlechter beginnen: Im September werden die Christsozialen den 100. Geburtstag des legendären Franz Josef Strauß feiern - und dabei immer wieder Maß nehmen und genau hinschauen, was Seehofer aus dem Erbe gemacht hat. Im Vorfeld des magischen Datums macht sich ausgerechnet rechts von der Union, wo es laut Strauß niemals eine andere demokratisch legitimierte Partei geben darf, auch in Bayern die Alternative für Deutschland (AfD) breit - und sucht jetzt auch noch den Schulterschluss zum offenbar tief verunsicherten rechtskonservativen bürgerlichen Milieu auf der Straße.

Wenn die Menschen mit dem Ruf "Wir sind das Volk!" die Politik der etablierten Parteien kritisieren, dann muss das einen Ministerpräsidenten besonders treffen, der nach den Landtagswahlen ankündigte, eine "Koalition mit dem Volk" bilden zu wollen.

Obendrein steckt Seehofers CSU der vehemente strategische Fehler noch in den Knochen, mit dem sie letzten Mai bei der Europawahl das schlechteste Ergebnis bei Abstimmungen in Bayern seit 60 Jahren einfuhr: von 48 auf 40 Prozent, weil sie die AfD mit europakritischen Tönen noch übertrumpfen wollte, gleichzeitig aber zur Verwirrung des Publikums an ihrem Bekenntnis zu Europa festhielt.

Wofür steht die CSU?

Seehofer übernahm damals die Verantwortung für das Desaster, weil er "keine Stellvertreterdiskussion" wollte. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt analysierte, dass die Menschen nicht mehr verstanden hätten, wofür die CSU stehe. Der "Spagat" sei zu groß geworden: "Vielleicht haben wir unsere Gelenke etwas überstrapaziert", gab Seehofers einflussreiche Strippenzieherin zu Protokoll.

Ab Mittwoch ist Hasselfeldt Gastgeberin der traditionellen Jahresauftakt-Klausur der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth. Es wird dort so aussehen, als wäre die Welt für die Seehofer-Partei rundum in Ordnung. Nationale und internationale Prominenz tut der CSU den Gefallen, sie aus erster Hand zu informieren, obwohl sie im Bundestag unter allen Parteien die wenigsten Abgeordneten stellt. Der neue Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg macht in Deutschland seinen Antrittsbesuch nicht etwa im Kanzleramt, sondern bei der CSU in Kreuth. Der Chef der großen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, ist selbstredend dabei, auch EU-Kommissar Günther Oettinger kommt, dazu die Chefin der deutschen Chemie-Arbeitgeber, Margret Suckale, sowie Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. Wenn die CSU über Asylpolitik berät, fliegt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ein und zum Thema Ukraine ist kein Geringerer als Kiews Außenminister Pawlo Klimkin in Kreuth.

Seehofer will 2017 die absolute Mehrheit für due Union

"Is' scho recht", dürfte Seehofer zu der darin ausgedrückten Bedeutungszumessung sagen. Vor allem nach den jüngsten Umfragen, die der CSU satte 48 Prozent bescheinigen, obwohl in Bayern auch Freie Wähler und AfD über fünf Prozent gehandelt werden. Schon beginnt er, für die Bundestagswahl 2017 die absolute Mehrheit für die Union bundesweit als Ziel auszugeben. Bereits 2013 habe die Union diese Marke nur um fünf Mandate verfehlt. Angesichts der Popularität Merkels vermutet Seehofer: Da geht noch was. Zumal die Zukunft der FDP ungewiss ist und die Vorbehalte gegen eine Koalition mit den Grünen gerade in Bayern groß sind.

Demoskopen teilen Seehofers Optimismus jedoch nicht. Eine absolute Mehrheit im Bund hält etwa Infratest-Dimap-Chef Richard Hilmer für "wenig wahrscheinlich". Das knappe Ergebnis von 2013 sei auf den Umstand zurückzuführen, dass mit FDP und AfD gleich zwei Parteien knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert seien. Insgesamt seien fast 16 Prozent der Stimmen bei Parteien gelandet, die den Einzug in den Bundestag verpassten. Nach seinen Berechnungen müsste die Union auf mindestens 45 Prozent kommen - davon ist sie derzeit noch deutlich entfernt. Zudem sei es ein Risiko, eine absolute Mehrheit als Wahlziel auszugeben: "Einparteienregierungen sind in der Wahlbevölkerung generell nicht sonderlich beliebt", sagt Hilmer.

Zudem weiß Seehofer, wie plötzlich die Ursachen für nachhaltige Stimmungseinbrüche um die Ecke kommen können. Wenn "seine" Maut krachend scheitert, sieht es mit seinen Macher-Qualitäten bald anders aus. Im "Spagat" befindet er sich zudem als Ministerpräsident in München und Koalitionär im Bund. So will er zwar unbedingt auf Dauer die schwarze Null im Bundeshaushalt sicherstellen, zugleich aber ultimativ Milliarden-Mehrleistungen des Bundes für Berlin, um Bayerns Zahlungen in den Länderfinanzausgleich zu minimieren.

Seehofer hat gelernt

Zumindest etwas scheint Seehofer aus dem vergeigten Europawahlkampf gelernt zu haben: starke Sprüche ja, aber dabei nicht übertreiben und sie vor allem in den Rahmen vorhandener Positionen stellen. So geschieht es nun bei den jüngsten Asyl-Vorstößen. Der Ruf nach Schnellverfahren klingt zwar danach, als hätte die CSU die Straße verstanden und die von "Pegida" und AfD geschürte Stimmung aufgegriffen. Tatsächlich bewegen sich die "neuen" Forderungen aber im Rahmen dessen, was die Koalition ohnehin vorhat. Zudem vermeidet Seehofer das, was Wähler gar nicht mögen: scharfe Forderungen an andere richten, obwohl man selbst regiert und etwas tun kann. So kommt im Vorfeld von Kreuth die Ankündigung, dass die bayerische Regierung die Abschiebepraxis neu und zupackender regeln werde.

Eine weitere konservative Botschaft wird gleichfalls ohne Scharfmacherei präsentiert, obwohl die Sicherheitslage auch anderes zuließe: Den prominenten Nato-Besucher vor Augen, will die CSU beim Militär den "europaweiten Trend zur Ausgabenkürzung umkehren". Freiheit und Sicherheit seien "nicht umsonst" zu haben, weswegen die CSU bei der Klausur laut einem Bündnis-Papier klar machen will: "Auch eine künftige Erhöhung des Wehretats darf kein Tabu sein." Eine langfristige Annäherung der Verteidigungsausgaben an die Nato-Empfehlung von zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes sei sinnvoll.

(may-)
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