Interview mit Theo Bovens "Hürden im Grenzland sind viel zu hoch"

Maastricht · Bovens: Wir haben in Limburg die meisten grenzüberschreitenden Wirtschaftskontakte, und wir haben hier auch sehr viele Unternehmen, die international tätig sind. Eine große Rolle spielen aber auch unsere Universitäten, an denen überproportional viele ausländische Studenten eingeschrieben sind, allein 8000 kommen aus Deutschland.

 Theo Bovens (54) ist seit 2011 Königlicher Provinzgouverneur von Limburg.

Theo Bovens (54) ist seit 2011 Königlicher Provinzgouverneur von Limburg.

Foto: Johannes Timmermans

Der Airport Maastricht-Aachen ist eigentlich auch ein deutscher Flughafen, jeder fünfte Passagier ist ein Deutscher. Metropolen wie Amsterdam oder Berlin halten sich gerne für international, dabei sind Grenzregionen wie Limburg oder NRW in Wirklichkeit viel internationaler!

Um deutsche Studenten werben sie ja sehr aktiv. Warum eigentlich?

Bovens: Weil sie unsere Universitäten internationaler und damit attraktiver machen. Außerdem hoffen wir, dass einige dieser jungen Leute nach ihrer Ausbildung hierbleiben und für Limburger Unternehmen arbeiten. Oder aber sie nutzen nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ihre Limburger Kontakte. Das hilft beiden Seiten.

Welches sind die wichtigsten Argumente, warum Deutsche nach Limburg kommen sollten?

Bovens: Erstens, weil wir das Tor zu den gesamten Niederlanden sind. Zweitens, weil wir touristisch sehr viel zu bieten haben. Limburg hat zum Beispiel die größte Fläche an Binnengewässern in den Niederlanden, darunter sehr viele für Freizeitaktivitäten erschlossene Seen. Und drittens, weil es in Limburg auch sehr viel innovative Technologien gibt, etwa in der Chemie oder im Agrar- und Nahrungsmittelsektor. Und auch im Gesundheitsbereich sind wir sehr innovationsfreudig.

Für Grenzpendler gibt es aber immer noch ganz handfeste Probleme?

Bovens: Stimmt. Zwar ist es gar kein Problem mehr, schnell ins Nachbarland zum Einkaufen zu fahren. Aber die administrativen Barrieren sind zuletzt eher wieder höher geworden, trotz aller Zusammenarbeit. Das liegt vor allem daran, dass die Kranken- und Rentenversicherungssysteme weiter rein national sind und es keine europäische Harmonisierung gibt. Das sind ganz praktische Gründe, die es erschweren, im Nachbarland zu arbeiten.

Was können Sie den ganz konkret tun, um diese Barrieren abzubauen?

Bovens: Wir drängen bei unserer Regierung darauf, dass künftig systematisch jedes Gesetz auf seine Folgen für die Grenzregionen geprüft wird. Wir müssen die Grenze gerade für den Arbeitsmarkt durchlässiger machen. Das alles ist kein Selbstzweck: Wir haben unlängst eine Studie vorgelegt, aus der erstmals klar hervorgeht, dass solche Maßnahmen mittel- und langfristig sowohl in Limburg wie auch in NRW Zehntausende neue Jobs schaffen würden.

Warum hat man damit nicht schon viel früher begonnen?

Bovens: Es gibt ja schon seit vielen Jahren eine gut eingespielte Zusammenarbeit, etwa im Rahmen der Euregionen. Aber man hat sich da vielleicht zu lange auf Wohlfühlthemen beschränkt, da wurden Fahrradwege über die Grenze gebaut oder Naturschutzgebiete ausgewiesen. Alles sehr wichtig, gar keine Frage. Aber die wirtschaftlichen Fragen sind dabei meist zu kurz gekommen. Das ändert sich gerade, und das ist auch gut so. Es kann ja nicht allein darum gehen, hier im Grenzgebiet einen großen Freizeitpark zu organisieren.

Inwiefern ist die Sprache ein Hindernis?

Bovens: Sie bildet leider eine echte Barriere, die zuletzt sogar wieder etwas höher geworden ist. Früher war die Kommunikation schon einmal leichter. Meine Großmutter zum Beispiel stammte aus Aachen; in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde noch viel über die Grenze hinweg geheiratet. Und auch die veränderte Mediennutzung spielt eine Rolle. In meiner Jugend wurde hier in der Region noch sehr viel deutsches Fernsehen geschaut. Die Leute haben ihre Sprachkenntnisse am Abend auf der Couch trainiert. Auch das ist vorbei.

Was lässt sich dagegen tun?

Bovens: Wir versuchen gegenzusteuern. Deutsch soll in Limburg wieder stärker unterrichtet werden, auch schon an Grundschulen. Und an den Berufsschulen möchten wir erreichen, dass man künftig statt Englisch auch Deutsch als Fremdsprache wählen kann, was bisher nicht möglich ist. Gerade für die jungen Leute in praktischen Berufen ist es sehr attraktiv, wenn sie auch in Deutschland arbeiten können. Dafür sind Sprachkenntnisse eben unverzichtbar, und das wird auch zunehmend begriffen.

(hav)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort