Kabarettist Serdar Somuncu "Ich bin die bessere Frauke Petry"

Düsseldorf · Der Kabarettist, Schauspieler und Musiker Serdar Somuncu (47) über Integration, das Deutsche Reich von vor 1945 und AfD-Reden im Vergleich zu "Mein Kampf".

 Serdar Somuncu.

Serdar Somuncu.

Foto: Wortart

Herr Somuncu, dürfen wir Sie Quoten-Kanake nennen?

Somuncu Ja, klar! (lacht)

Dabei haben Sie mal gesagt, Sie seien zu untürkisch, um ein Klischee-Türke zu sein. Was ist an Ihnen deutsch?

Somuncu Meine Sprache, sonst sehr wenig. Das ist ja auch sehr unterschiedlich. Es gibt Leute, die meinen, besonders deutsch zu sein, weil sie die Nationalhymne singen oder eine Deutschlandflagge hochhalten, wie AfD-Mann Björn Höcke zum Beispiel. Was für mich besonders deutsch ist, ist Treue. Deutsche wägen ewig ab: Ist das mein Freund oder nur ein Bekannter? Aber wenn sie sich entschieden haben, wird man die so schnell nicht wieder los.

Ihre Eltern sind in den 60ern als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, gingen in deutsche Kneipen, tranken Bier und aßen Schweinefleisch. Geht so Integration?

Somuncu Ja. Das ist gelebte Integration. Aber eher unbewusst. Meine Eltern wollten sich einfach nicht langweilen und Leute kennenlernen, sind aber auch nicht besonders religiös. Bier und Bratwurst waren also nie ein Problem.

Wär das auch Ihr Rat an alle, die nach Deutschland kommen?

Somuncu Ja, ich würde sagen: Wenn du toleriert werden willst, muss du lernen zu tolerieren. Wenn du frei sein möchtest, musst du dem anderen seine Freiheit lassen. Das können aber auch viele Deutsche nicht. Ich glaube, dass ein AfD-Wähler, ein Wir-sind-das-Volk-Brüller oder ein Pegida-Mitläufer genauso anpassungsunfähig ist. Denn das Deutschland, das der meint, ist auch nicht unser Deutschland.

Sondern?

Somuncu Das Deutsche Reich von vor 1945, was diese Leute meinen, gibt es ja zum Glück nicht mehr. Deutschland ist offen, vielfältig, Schwule und Lesben können heiraten, man kann debattieren.

Sie haben letztens gesagt, die AfD würde schon irgendwann an sich selbst scheitern, man müsse die einfach aushalten. Reicht das?

Somuncu Erstmal ja. Aber man muss sich auch mit denen auseinandersetzen. Und es reicht nicht, das auf polemische Art zu tun, man muss schon inhaltlich werden.

Zum Beispiel?

Somuncu In ihrem Parteiprogramm gibt es beispielsweise eine Klausel zum Schutz der Ehe, weil die klassische Form der Familie der AfD ja so wichtig ist. Frauke Petry aber lebt selbst zusammen mit dem NRW-Vorsitzenden Marcus Pretzell in wilder Ehe mit acht Kindern. Finde ich ein bisschen peinlich, ehrlich gesagt. Auch das Nein der AfD zu Europa und dem Euro: Hat Deutschland nicht zur Wiedervereinigung bestimmte Konditionen erfüllen müssen, wie das bedingungslose Ja zur europäischen Einigung? Und war nicht der Euro Bedingung dafür? Nicht nur da sind die Argumente der AfD doch sehr einfach gestrickt.

Warum hat sie dann so großen (Wahl)-Erfolg?

Somuncu Weil die AfD-Wähler eben auch einfach gestrickt sind. Und die Partei fängt diese einfachen Meinungen und Stimmungen ab. Aber Meinungen sollten immer in komplexe Auseinandersetzungen münden.

Mit der Originalausgabe von "Mein Kampf" waren Sie vor zwanzig Jahren über 1500 Mal auf Lesetour. Halten Sie AfD-Reden für gefährlicher?

somuncu Ja. "Mein Kampf" ist so langweilig, das kann man nicht aushalten. Aber wenn so ein Typ wie Björn Höcke spricht, der das vielleicht auch noch so formuliert, dass es Spaß macht, zuzuhören, halte ich das für sehr gefährlich. Zumal er und seine Parteikollegen ja nichts Gutes sagen.

In Ihrem Buch "Der Adolf in mir" behaupten Sie: In jedem steckt ein Nazi.

Somuncu Richtig. Bei manchen kommt er mehr zum Vorschein, bei anderen weniger. Man kann das rauskitzeln. Ich habe das bei Bekannten getestet, letztens auf einer Party. Da habe ich mich zum Beispiel so lange und lauthals über die Steuerverschwendung für die Kölner Moschee aufgeregt, bis sie mir zustimmten.

Ist das nicht das Konzept der AfD?

Somuncu Nee, das ist das Konzept meines Programms, das die AfD schlecht kopiert. Ich bin auf jeden Fall die bessere Frauke Petry.

Und was würden Sie, Frau Petry, den besorgten Bürgern in Heidenau, Freital, Clausnitz und sonst wo entgegenhalten?

Somuncu Es ist ja nicht komplett falsch, was die von AfD und Pegida sagen. Man muss sich das so vorstellen: Da kommt ein Bus voll Flüchtlingen in ein ostdeutsches 5000-Seelen-Dorf, das praktisch noch nie Ausländer gesehen hat. Die Leute da sind überfordert. Als Angela Merkel damals sagte "Wir schaffen das", tat sie das ihrer Popularität wegen. Jetzt macht sie eine 180-Grad-Wende, weil sie merkt, was das ausgelöst hat. Auch auf unteren Ebenen werden Fehler gemacht, die die Bürger aufregen. Die fängt die AfD ab, bietet aber keine Lösungen an.

(RP)
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