Analyse zum Weltfrauentag Ich bin keine Randgruppe

Düsseldorf · Der Internationale Frauentag reiht sich in eine Abfolge von jährlich wiederkehrenden Betroffenheits-Events ein. Doch brauchen Frauen wirklich einen solchen Tag? Ein Plädoyer für das Selbstbewusstsein der Mehrheit.

Analyse zum Weltfrauentag: Ich bin keine Randgruppe
Foto: dpa, Klaus-Dietmar Gabbert

Jetzt werden wieder Statistiken zitiert, Forderungen gestellt, drastische Einzelfälle geschildert, die Missstände offenbaren sollen. Wir können es schon mitsingen: Nur drei Prozent der Führungspositionen in deutschen Aufsichtsräten und Vorständen von Dax-Unternehmen sind mit Frauen besetzt. Frauen verdienen bei gleicher Qualifikation und Position im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Alleinerziehende Frauen und Rentnerinnen, die in ihrem Leben vornehmlich Haushalt und Familie gemanagt haben, sind die am stärksten wachsende Armutsgruppe. Das berechtigte Klagen über Ungerechtigkeit gehört zum bekannten Begleitklang rund um den Internationalen Frauentag am 8. März. Ändern wird sich wieder nichts.

Warum also das alles? Weshalb dieser Alibi-Tag, der im Zweifel dazu dient, das Gewissen jener zu beruhigen, die ohnehin nicht vorhaben, etwas zu ändern? Und: Wieso redet niemand über die Selbstverantwortung der Frauen, über freien Willen, selbstbewusstes Einfordern und die Macht der Mehrheit? Dabei träfe das besser, was Frauen wollen und können. Eine ehrliche Analyse ist die Voraussetzung jeder Lösung. Doch der Blick in den Spiegel kann auch unangenehm sein.

Frauen sind in der Überzahl

Es stimmt, Frauen sind Männern nicht gleichgestellt. Aber sie sind in der Überzahl: 80,5 Millionen Menschen lebten laut Statistischem Bundesamt Ende 2012 in Deutschland, 51,1 Prozent davon waren Frauen. In NRW liegt ihr Anteil bei 51,3 Prozent. Unter den Kreisen ist Mettmann besonders weiblich — mit einem 52-prozentigen Frauenanteil. Düsseldorf hat bei den kreisfreien Städten mit 51,9 Prozent Frauen die Nase vorn, liegt deutlich vor Mönchengladbach (51,4 Prozent) und sogar Köln (51,5 Prozent). Schlägt sich das nieder? Ein klares Nein. An den Schalthebeln im Rathaus, in der Wirtschaft und im Brauchtum sitzen überwiegend Männer. Immerhin überlässt Düsseldorf im Karneval eine der Hauptrollen tatsächlich einer Frau, nämlich der Venetia. In Köln sind Männer sogar die besseren Jungfrauen. Dafür ist der hier wie dort anzutreffende Klüngel fast ausschließlich männlich.

Statt darüber zu jammern, sollten Frauen aktiv werden. Netzwerken ist keine Domäne der Männer. Es ist genau genommen wider deren Natur. Eigentlich ungewöhnlich, dass es so gut funktioniert. Denn Männer sind genetisch programmierte Individualisten, ausgelegt auf den permanenten Konkurrenzkampf, getrieben vom Vergleich, wer stärker, besser, schlauer ist. Wie viel Miteinander, wie viel spieltheoretisches Win-win ist unter diesen Umständen möglich? Die dominante Strategie muss nicht zum besten Ergebnis führen. Frauen könnten es also anders machen. Sie müssten es nur mal machen, statt sich mit Selbstzweifeln selbst ein Bein zu stellen. Vor allem aber müssen die Männer sie lassen. Denn das Problem ist nach wie vor, dass die Jungs am liebsten unter ihresgleichen bleiben.

Die Lust auf Macht steigt

Dabei wäre es eine Chance, von der am Ende alle profitieren. Denn das beste Ergebnis, das belegen viele Studien, wird erzielt, wenn das Team aus möglichst vielen unterschiedlichen Talenten besteht. Frauen sind anders programmiert als Männer, sie haben den Informationsaustausch in den Genen. Vermutlich aus der Zeit, als sie gemeinsam am Feuer saßen, während die Männer das Abendessen jagten. Frauen hüten traditionell den Nachwuchs, was nicht schlecht ist — denn damit haben sie den meisten Einfluss auf die nachfolgenden Generationen. Sie sparen Zeit, weil sie nicht jedes Mal aufs Neue in Schaukämpfen die Rangordnung klarmachen müssen.

Die Lust der Frauen auf Macht und Mitmachen steigt. Deutschland hat eine Kanzlerin, jetzt sogar eine Verteidigungsministerin — trotz vieler Widerstände, übrigens von Frauen ebenso wie von Männern. Längst gibt es Frauennetzwerke jenseits von Häkelgruppen und Kaffeekränzchen. Sie funktionieren erstaunlich gut, ganz ohne zur Schau getragenen Geschlechterkampf. Erfolgreiche Frauen, von denen es in allen Branchen welche gibt, formieren und unterstützen sich. Und: Sie netzwerken auch mit Männern. Darin liegt viel Potenzial. Frauen müssen ihre Möglichkeiten nur erkennen. Weder Armut noch eine männlich dominierte Gesellschaftsstruktur müssen dem entgegenstehen: Schließlich waren es Frauen, die das Konzept der Mikrokredite in den ärmsten Schichten Indiens erfolgreich umsetzten. Es sind Mütter, die auf beiden Seiten in Nahost für den Frieden kämpfen. Es waren Frauen, die in Nordafrika ihre Rechte forderten und damit die Revolution einleiteten. Es sind Frauen, die im rechtsextremen Milieu am hartnäckigsten und furchtlosesten recherchieren.

Frauen sind unterschiedlich, Männer aber auch

Warum gibt es nicht mehr davon? Weil viele Frauen das gar nicht wollen? Weil es einfacher ist, über etwas zu klagen, als aktiv zu werden? Weil Frauen nicht die Zeit haben und sich nach wie vor um die Familie kümmern müssen? Vieles davon ist wahr. Doch es liegt auch an ihnen, der Mehrheit, das zu ändern. Wenn eine Frau besser verdient als ihr Mann, gibt es keinen vernünftigen Grund, dass sie zu Hause bei den Kindern bleibt und nicht er. Die Entscheidung kann kein Gesetz abnehmen, es ist eine zwischen Partnern. Und setzt eine Frau doch für einige Jahre für ihre Familie aus, gibt es keinen Grund, weshalb dies einen Knick in ihrer Karriere bedeuten müsste: Organisationsfähigkeit und Belastbarkeit im Job liegen nach diesen Auszeiten höher als zuvor. Die meisten Chefs ignorieren das beharrlich.

Zur Gleichberechtigung oder Gleichstellung gehören selbstverständlich auch die Rechte der Männer. Gerade in der jüngeren Generation gibt es immer mehr, die Laptop und Business-Rüstung gerne gegen Kinderplappern und praktische Heim-Klamotten tauschen möchten. Zumindest für eine gewisse Zeit. Das gemeinsame Ziel muss sein, dass sie dafür nicht von Kollegen belächelt werden. Frauen sind unterschiedlich, Männer aber auch: Es gibt leidenschaftliche Hausfrauen und Karrieristinnen, Frauen mit und ohne Kinder, mit und ohne Mann, reiche und arme, geniale und gnadenlos unbegabte. Und natürlich gibt es auch bei Frauen extreme Unsympathen. Wie bei Männern eben auch. Es gibt Frauen, die morgens zuerst den Sportteil aus der Zeitung ziehen und politische Berichte nachrichtlich-kühl verfasst haben wollen. Und es gibt Männer, die Fußball gar nichts abgewinnen können und am Vielfliegen am meisten schätzen, dass sie ungestört in Klatsch-und-Tratsch-Blättchen schmökern können. Es gibt Männer, die lange im Bad brauchen und unglaublich viel Geld für Schuhe ausgeben. Und, ja, es gibt wirklich Frauen, die einparken können.

Deshalb ist ein Internationaler Frauentag ganz nett, aber nicht die Lösung des Problems. Ein Tag, ein paar Wochen der Empörung über Ungerechtigkeiten gegen eine Mehrheit, die ihr Schicksal nicht selbst in die Hand nehmen will. So wie der Valentinstag vielleicht an die Liebe erinnern soll, tatsächlich aber den Floristen nützt, gibt der Frauentag jenen eine Berechtigung, die aus dem Frust Profit schlagen. Ich bin keine Randgruppe, sondern der etwas größere Anteil der Menschheit. Und das 365 Tage im Jahr.

(RP)
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