Berlin Im Kampf gegen die Fluchtursachen fehlt vor allem Geld

Berlin · Das Entwicklungsministerium stockt seinen Etat um 580 Millionen Euro auf. Das selbst gesteckte Ziel ist damit noch nicht erreicht.

Mit dem Schließen der Balkanroute und dem Abkommen mit der Türkei ist es der EU gelungen, den aktuellen Flüchtlingsstrom nach Europa zu stoppen. Doch der Migrationsdruck auf Europa bleibt. Nicht nur in Syrien, auch im Libanon und auf dem gesamten afrikanischen Kontinent ist Europa das Ziel von Millionen von Menschen, die wegen Krieg, Gewalt, Terror, Klimawandel, Korruption oder wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat keine Zukunft für sich und ihre Familien sehen. Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht.

"Die Flüchtlingskrise wird uns noch auf Jahrzehnte beschäftigen. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt endlich zu der Einsicht gelangen: Nur mit Investitionen in Bildung, erneuerbare Energien und in ein nachhaltiges Wirtschaften werden wir die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lösen", sagt Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU).

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) betonten in jüngster Zeit mehrfach, dass mehr Geld in die Bekämpfung von Fluchtursachen fließen müsse. Genaue Summen nannten sie allerdings nicht. International nehmen die Deutschen eine Vorbildrolle ein. Im Rahmen der UN-Flüchtlingshilfe für Menschen aus Syrien hat sich Deutschland verpflichtet, 2,3 Milliarden Euro bis 2018 zu zahlen.

Der Etat des Entwicklungsministeriums für 2017 wird um 580 Millionen Euro aufgestockt und ist damit der größte in der Geschichte des Entwicklungsministeriums. Vom Ziel der Bundesregierung, bis 2020 insgesamt 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts in Entwicklungshilfe zu stecken, ist dieser Etat dennoch weit entfernt. Dies kann nach Angaben der Grünen nur durch einen Zuwachs von 1,2 Milliarden Euro erreicht werden.

Die Entwicklungspolitik allein kann die vielfältigen Fluchtursachen selbstverständlich nicht bekämpfen. Sie kann aber einen wichtigen Teil dazu leisten, dass zum Beispiel Kriegsflüchtlinge in Lagern nahe ihrer Heimat bleiben. Mit einem Euro für Flüchtlinge aus Syrien oder im Irak erzielt man nach Angaben des Entwicklungsministeriums vor Ort 30 bis 50 mal mehr Wirkung als in Deutschland. So setzt das Ministerium beispielsweise 200 Millionen Euro ein, um in diesem Jahr für mindestens 50.000 Menschen Jobs zu schaffen. Profitierten sollen sowohl Flüchtlinge wie auch die aufnehmenden Gemeinden vor Ort.

Finanziert werden müssen selbstverständlich auch die Grundbedürfnisse der Menschen: Nahrung, Obdach, Gesundheitsversorgung, Bildung für die Kinder. Ansonsten machen sich die Menschen auf den Weg, um bessere Lebensbedingungen zu finden. Die meisten vermuten diese in Europa und dort in Deutschland oder in den skandinavischen Ländern. Insgesamt wird das Ministerium in diesem Jahr rund eine Milliarde Euro in die Versorgung von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak stecken. Dafür werden Lager in Syrien und im Irak selbst, aber auch im Libanon und in Jordanien gesteckt. Im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens zahlt die EU zur Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei bis 2018 insgesamt sechs Milliarden Euro an Ankara.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sieht die Entwicklungspolitik trotz des aktuellen Geld-Aufwuchses unterfinanziert. Sie fürchtet, dass nun an falscher Stelle gespart wird. "Es wird uns früher oder später auf die Füße fallen, wenn wir unter der Überschrift Fluchtursachenbekämpfung Gelder umschichten und bei den ärmsten Ländern sparen", warnt sie.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort