Spitzbergen In der Arktis liegt ein Tresor für den Fall der Apokalypse

Spitzbergen · Wie viele andere Staaten lagert nun auch Neuseeland seine wichtigsten Pflanzensamen in einem Bunker in der Arktis ein.

Von den politischen Krisenherden ist Neuseeland zwar weit entfernt, doch Naturkatastrophen sind an der Tagesordnung. Neuseeland befindet sich in der geologisch aktivsten Zone der Erde, dem Pazifischen Feuerring. Die Hauptstadt Wellington sitzt direkt auf einer Erdbebenspalte und wird von mehreren hundert kleineren Beben pro Jahr erschüttert.

Neuseeland selbst plant deswegen für den Ernstfall vor, sei es ein Atomkrieg, ein Erdbeben oder ein Tsunami, und hat eine Auswahl seiner wertvollsten Pflanzensamen an die globale Samenbank im norwegischen Spitzbergen geschickt. Sollte der Ernstfall eintreten, könnten diese Samen ausgelöschte Pflanzenarten wieder zum Leben erwecken.

Zwei Sendungen sind inzwischen auf der Insel eingetroffen, die im arktischen Nordmeer, etwa auf halbem Weg zwischen Norwegen und dem Nordpol liegt. Und Neuseelands Forschungsinstitut AgResearch plant noch weitere neuseeländische Samen in dem Saatgut-Tresor einzulagern. Am Ende sollen etwa zehn Prozent der gesammelten Pflanzenarten eine Art Sicherungskopie bekommen.

Der Direktor der neuseeländischen Pflanzenbank (MFGC) hält die arktische Lagerung wichtig für Neuseelands Landwirtschaft: "Wir wollen sicherstellen, dass wir eine Sicherheit haben, sollte ein Ernstfall in Neuseeland eintreten wie ein Erdbeben, ein Feuer oder eine ernste Pflanzenkrankheit, die die Sammlung hier im MFGC oder eine spezifische Pflanzensorte, die wichtig für die Landwirtschaft ist, auslöschen könnte", sagte Kioumars Ghamkhar. "Man muss nur nach Syrien schauen, wo der Bürgerkrieg zu großflächigen Verlusten pflanzlicher, genetischer Ressourcen und in der Landwirtschaft im allgemeinen geführt hat."

Auch Syrien hatte glücklicherweise Samen in der Samenbank in Svalbard eingelagert und musste bereits auf die eingelagerten Proben zurückgreifen. Auch Neuseeland hatte Anfang Mai den Verlust einer Pflanzenart schmerzlich zu spüren bekommen, nachdem der australische Zoll eine seltenes Exemplar aufgrund der geltenden Quarantänevorschriften zerstört hat. Ein Missverständnis: Die wertvollen Pflanzen sollten eigentlich für Forschungsarbeiten an Australien ausgeliehen werden.

Zugleich schrumpft weltweit die biologische Vielfalt. "Insgesamt sind in den vergangenen 20 bis 30 Jahren mehrere Hunderttausend, vielleicht sogar Millionen unterschiedlicher Pflanzenarten verloren gegangen", sagt Roland von Bothmer, einer der Pflanzengenetiker der norwegischen Samenbank. "Das ist genetisches Material, das für immer verloren ist."

In Spitzbergen sind die Samen dagegen so sicher wie nur möglich. Hier im hohen Norden Europas leben kaum Menschen. Der einzige Nachbar der Samenbank ist ein anderer Speicher - ein Bunker für Daten aus aller Welt. Er wurde im April eröffnet. Beide überdimensionalen Tresore sind weit weg von Krieg und Zerstörung. Zudem reicht der Speicher 120 Meter in die felsige Tiefe. Hier herrschen zudem konservierende Minustemperaturen, und es ist trocken. Theoretisch können bis zu viereinhalb Millionen Samenproben in dem futuristisch anmutenden Gebäude inmitten der Arktis gelagert werden. Jede Probe enthält etwa 500 Samen, das heißt maximal könnten 2,25 Milliarden Einzelsamen aufbewahrt werden.

Neuseeland hat sich mit der Lagerung seiner Samen bewusst für die norwegische Samenbank entschieden. Gefallen hat den Neuseeländern bei dem arktischen Samentresor nicht nur die Lage, sondern auch, dass die Norweger "wie eine Schweizer Bank" operieren, wie der neuseeländische Pflanzenexperte Ghamkhar sagte. "Wir haben die exklusive Nutzung unserer Samen, während sie sich im Lager befinden, und wir sind das einzige Land, das sie aus dem Tresor auch wieder herausnehmen darf."

(RP)
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