Neu Indiens Balance zwischen Putin und Obama

Neu · Russen und Amerikaner buhlen um das Riesenland. Der neue Premier Modi macht sich das zunutze.

Delhi Indien sei wie "eine reiche Braut mit vielen Bewerbern", schmeichelte Russlands Botschafter, Alexander Kadakin, seinem Gastland. Solche überschwänglichen Komplimente sind kein Zufall: Gebeutelt von westlichen Sanktionen und politisch isoliert, will Russlands Präsident Wladimir Putin die politischen und wirtschaftlichen Bande mit Indien neu beleben. Bei einem Blitzbesuch in Neu Delhi vereinbarte er Mitte Dezember mit Indiens Regierungschef Narendra Modi eine Reihe von Projekten, um die Rüstungs- und Energiezusammenarbeit auszubauen.

Der Kreml-Chef sucht händeringend nach neuen Kunden und Freunden in Asien, um Russlands Wirtschaft zu stützen. So will Russland in den nächsten 20 Jahren weitere zwölf Atomkraftwerke an Indien liefern und dort Helikopter fertigen. Auch sollen der Diamantenhandel und die Öllieferungen ausgeweitet werden. "Indien ist ein bewährter Partner", beschwor Putin die alte Freundschaft, die in die Zeiten des Kalten Krieges zurückreicht. Allerdings ist Putin nicht der einzige Staatschef, der auf Freiersfüßen wandelt. Auch Washington buhlt mit neuer Verve um Indien. Ende Januar wird US-Präsident Barack Obama erwartet. Als erster US-Präsident wird er als Ehrengast an Indiens "Tag der Republik" teilnehmen. Auch die USA schauen mit neu erwachtem Interesse auf das Gandhi-Land. Nach langer politischer Lähmung erhofft man sich in Washington von Modi einen Reformschub und neue Milliardendeals.

Doch der Ukraine-Konflikt lauert im Hintergrund. Indien hält sich bisher sorgfältig heraus und hat schon klargemacht, dass es sich den westlichen Sanktionen gegen Russland nicht anschließen will. Zwar galt Indien während des Kalten Krieges als blockfrei, doch stand es der Sowjetunion stets näher als dem Westen. Erst in den vergangenen zehn Jahren taute das Verhältnis zu den USA deutlich auf.

Dennoch ist Moskau bis heute mit Abstand Indiens größter Waffenlieferant. Modi versicherte Putin, dass Russland auch künftig wichtigster Lieferant für Rüstungsgüter bleiben soll, auch wenn Indien als Kunde heute mehr Optionen auf dem Markt habe. Freilich, das über Jahrzehnte aufgebaute Geschäftsverhältnis zeigt Risse. Moskau verübelt Delhi, dass es den französischen Rafale-Kampfjet Produkten aus russischer Produktion vorzog. Umgekehrt zürnt Delhi Moskau, weil es dem Nachbarn Pakistan moderne Kampfhubschrauber verkaufen will.

Beobachter glauben, dass der seit sechs Monaten regierende Hindunationalist Modi insgesamt weniger pro-russisch festgelegt ist als die linke Vorgängerregierung unter der Kongresspartei. Modi geht es vor allem um die Entwicklung der Wirtschaft. Und da könnten die USA Indien letztlich mehr bieten als Russland. Modi setze deswegen insgeheim auf die USA, spekuliert etwa der bekannte Kolumnist Karan Thapar. Diplomatisch steht Modi damit allerdings ein schwieriger Balanceakt bevor. Einerseits will er die Beziehungen zu den USA forcieren, andererseits Russland nicht vor den Kopf stoßen.

Der Grund dafür ist strategischer Natur: Mit Sorge sieht man in indischen Regierungskreisen, dass sich Russland zusehends dem großen Rivalen China zuwendet und Peking zu Schnäppchenpreisen Energie und Militärgüter liefert, um die Sanktionen des Westens zu unterlaufen. Der frühere indische Außenstaatssekretär Kanwal Sibal hält die westliche Politik für kurzsichtig. Am Ende werde China militärisch und wirtschaftlich gestärkt als Sieger und lachender Dritter aus dem Konflikt hervorgehen: "Für Indien ist es zunehmend schwierig, die Gründe der US/EU-Politik gegenüber Russland zu verstehen, die - neben anderen Konsequenzen - Russland in die Arme Chinas treibt."

(RP)
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