Streit über Integrationspapier der CDU Mit Zuckerbrot und Peitsche

Berlin/Düsseldorf · Die CDU will Integration belohnen, aber auch den Druck erhöhen, dass Zuwanderer sich in die deutsche Gesellschaft einfügen. Der Mindestlohn soll für Flüchtlinge ausgesetzt werden. Prompt gibt es scharfe Kritik. Aber viele Vorschläge sind vernünftig.

 Zuwanderer sollen bereit sein, sich in Deutschland einzubringen, fordert die CDU.

Zuwanderer sollen bereit sein, sich in Deutschland einzubringen, fordert die CDU.

Foto: Olaf Staschik

Am umstrittensten unter den Vorschlägen ist die Idee, Mindestlohn für Flüchtlinge für sechs Monate auszusetzen. SPD und Grüne lehnten dies nach Bekanntwerden des Papiers ab. Gegenüber unserer Redaktion erklärt Andreas Meyer-Lauber, DGB-Chef von NRW: "Solche Ausnahmen vom Mindestlohn sind inakzeptabel und unsinnig. Das vergiftet nur die Atmosphäre, weil Menschen gegeneinander ausgespielt werden." Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßte den Vorschlag dagegen, weil er "den Weg in Beschäftigung erleichtere".

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) wittert in dem Vorstoß auch ein Wahlkampfmanöver. Kein Thema spielt innerhalb der deutschen Politik eine größere Rolle als die Flüchtlings- und Integrationspolitik - so ist es kein Wunder, dass die CDU wenige Wochen vor den wichtigen Landtagswahlen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt eine Gesamtstrategie für Integration und für den Umgang mit Flüchtlingen beschließen will.

Aber viele Vorschläge sind vernünftig. Die CDU will weiterhin, wie von ihrer Vorsitzenden Angela Merkel vorgegeben, Schutzbedürftigen aus Krisengebieten helfen. Sie fordert aber auch sehr viel mehr Einsatz von den neu Hinzugezogenen. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen sollen die neuen Bürger gezwungen oder gedrängt werden, sich schneller in die Gesellschaft zu integrieren. Insgesamt bestätigt sich, dass Deutschland beim Thema kluger Integrationspolitik noch einen großen Nachholbedarf hat.

Grundregeln unseres Zusammenlebens als Kurs

Wie die Strategie nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche" vorgehen soll, zeigt sich am Thema Integrationskurse: Flüchtlingen sollen Sozialleistungen gekürzt werden, sofern sie verpflichtende Angebote wie Integrationskurse, Sprachkurse oder eine zumutbare Arbeit ablehnen. Dabei soll auch gelehrt werden, dass in Deutschland die Gleichberechtigung von Mann und Frau einen besonderen Stellenwert hat. Gleichzeitig soll aber geprüft werden, ob Teilnehmer an Integrationskursen einen Bonus erhalten, wenn sie ein "Zertifikat Integrationskurs" erwerben - Bargeld für Integration also.

Schon in den Aufnahmeeinrichtungen soll es einen Sprachkurs sowie einen "Kurs zu den Grundregeln unseres Zusammenlebens" geben.

Gefordert werden "ausreichend Betreuungsplätze in den Kindertagesstätten". Das Programm "Sprach-Kitas" müsse finanziell und personell aufgestockt werden. Wo Bedarf ist, soll es eine "verpflichtende Sprachförderung in der Kindertagesstätte" geben - das ist das Gegenteil des früheren Betreuungsgeldes als Prämie für das Erziehen von Kindern zu Hause.

Schulpflicht bis zum 25. Lebensjahr

Sprachkurse auch für bereits arbeitende Schutzsuchende soll es geben, außerdem sollen im Internet mehr Bildungsangebote für Einwanderer angeboten werden.

Flüchtlinge ohne Schulabschluss sollen bis zum 25. Lebensjahr statt nur bis zum 18. Lebensjahr schulpflichtig sein. Als Folge würde es jungen Immigranten viel schwerer fallen, sich nur mit Gelegenheitsjobs durchzuschlagen, um ihren Familien in der Heimat schnell Geld schicken zu können. Das Resultat: Die von Deutschland gewollte Integration durch Schule oder eine Ausbildung würde gefördert, dem Trend hin zu reinen Hilfsarbeiterjobs bei vielen Zuwanderern würde entgegengesteuert.

Auch beim Thema Familiennachzug verschärft die Union die Tonlage: Der Nachzug wurde für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte ja sowieso für zwei Jahre ausgesetzt. Aber auch danach soll das Nachholen der Angehörigen nur erlaubt sein, wenn die Flüchtlinge straffrei bleiben und erfolgreich an Integrationsmaßnahmen mitarbeiten - dies sind Einschränkungen, die aber praktisch nicht ganz einfach durchzusetzen sein werden.

Aufenthaltsrecht nicht ohne Auflagen

Als Kommentar auf die Vorschläge befürwortet NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zwar auch, dass es eine "klare Ansage" gegenüber Zuwanderern geben müsse, dass sie zur Integration bereit sein müssen. Es sei allerdings reiner "Aktionismus", das Programm nun kurz vor den Landtagswahlen vorzustellen statt mit der SPD als bundespolitischem Koalitionspartner eine bessere Politik durchzusetzen: "Es geht darum, die Volksseele zu befrieden. Wie das gelingen soll, wenn man Flüchtlinge vom Mindestlohn ausnimmt und sie damit für Arbeitgeber attraktiver macht als einheimische Arbeitslose, steht in den Sternen", betont Walter-Borjans.

Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Thomas Strobl forderte in der Zeitung "Die Welt", Flüchtlingen das unbefristete Aufenthaltsrecht künftig frühestens nach fünf Jahren und nur unter bestimmten Bedingungen zu geben. "Das Recht, unbefristet in Deutschland zu sein, sollte es nicht zum Nulltarif geben", so Strobl.

Der frühere SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder fordert derweil ein Gesamtkonzept für Integration, das er "Agenda 2020" in Anlehnung an seine frühere Agenda 2010 nennt: Mehr Bildung, Jobs und Wohnungen seien dafür dringend nötig.

(RP)
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