Atom-Deal mit dem Iran auf der Kippe

Lausanne · Mal melden die Außenminister Fortschritte, mal Rückschläge. Die entscheidenden Gespräche über das Nuklearprogramm stocken.

Die Geheimverhandlungen über das iranische Atomprogramm in Lausanne scheinen zwar voranzukommen. Doch einen Durchbruch gibt es offenbar noch nicht - zu viele Details sind strittig.

Worüber wird verhandelt?

Der Atom-Streit schwelt bereits seit zwölf Jahren. Die internationale Gemeinschaft, in Lausanne vertreten durch die Außenminister der UN-Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschlands, will verhindern, dass sich der Iran unter dem Deckmantel ziviler Forschung heimlich Atombomben beschafft. Teheran bestreitet solche Pläne und besteht darauf, seine Energieversorgung durch Atomkraft zu ergänzen.

Auf beiden Seiten wird die Zeit knapp. Die Republikaner beherrschen seit Januar beide Kammern des US-Kongresses. Republikanische Senatoren warnten Teheran in einem offenen Brief, der Nachfolger von Barack Obama könne ein Abkommen widerrufen. Das scheint zwar juristisch wirkungslos. Der künftige US-Präsident könnte jedoch gegen den Iran wieder einen harten Kurs einschlagen. Dessen Präsidenten Hassan Rohani würde ein Scheitern in Lausanne möglicherweise sein Amt kosten: Hardlinern in Teheran gilt der vergleichsweise moderate Rohani, der einen Kurs der Annäherung an den Westen und den als "großen Satan" verteufelten Erzfeind USA steuert, als Verräter an der islamischen Revolution.

Was will die internationale Gemeinschaft erreichen?

Im Nahen Osten toben heftige Machtkämpfe, zuletzt ging auch der Jemen in Flammen auf. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" destabilisiert großflächig die Region um Syrien und den Irak. Selbst den Konservativen in den USA ist bewusst, dass Teheran im Kampf gegen diese Bedrohungen ein nützlicher regionaler Verbündeter sein kann - ein Argument, das in Washington den Willen zur Atom-Einigung zuletzt stark gefördert hat.

Teheran möchte schnell Sanktionserleichterungen. Seit Jahren leben die Iraner mit galoppierender Inflation und explodierenden Lebenshaltungskosten. Die Landeswährung hat die Hälfte ihres Werts eingebüßt; der Außenhandel liegt am Boden. Die Öl-Industrie müsste dringend in ihre maroden Anlagen investieren, kommt aber weder an das Geld dafür noch an die nötige westliche Ausrüstung. Viele Firmen mussten Mitarbeiter entlassen, große Bevölkerungskreise verarmen.

Wie argumentiert Israel?

Premierminister Benjamin Netanjahu misstraut Teheran zutiefst und setzt auf ein Scheitern der Gespräche. Er wird nicht müde, vor einem "schlechten Deal" zu warnen, einem zu laschen Abkommen, das es dem Iran ermöglichen würde, insgeheim weiter an der Bombe zu bauen. Netanjahu - und mit ihm viele Israelis - halten das moderate Auftreten Rohanis für einen billigen Trick, um die Sanktionen loszuwerden. Der Iran habe sich "offen zur Zerstörung Israels verpflichtet", betont Netanjahu. In der Tat hatte Irans geistlicher Führer Ajatollah Ali Chamenei erst vor wenigen Wochen neun Thesen verbreitet, warum das "zionistische Regime" ausradiert werden müsse. Chamenei ist der eigentliche starke Mann im Iran - und Befürworter des Atomprogramms. Ein Deal mit Teheran wäre der "bisher schlimmste Bruch der US-Solidarität" mit Israel, schrieb die israelische Zeitung "Haaretz".

Welche Rolle spielt Deutschland?

Politisch würde ein Abkommen die Region stabilisieren und Deutschland in seinem Bestreben helfen, dem Staat Israel beizustehen. Auch sind durch einen Wirtschaftsaufschwung im Iran gefüllte Auftragsbücher für deutsche Firmen zu erwarten, zumal "Made in Germany" im Land einen sehr guten Ruf hat: Die Bundesrepublik war lange Zeit einer der wichtigsten Handelspartner, und das einzige Atomkraftwerk Buschehr entstand nach deutschen Plänen. In vielen Fabriken stehen deutsche Maschinen, die überholt oder ausgetauscht werden müssen - ein lukratives Geschäft auch für Mittelständler.

Offenbar an vier Punkten: der Dauer des Abkommens, dem Tempo der Aufhebung der UN-Sanktionen sowie deren Wiederaufnahme, falls der Iran die Vereinbarung unterläuft, und der westlichen Überwachung des Atomprogramms für mindestens zehn Jahre, was Teheran ablehnt.

Was geschieht, wenn in Lausanne keine Einigung erzielt wird?

Die selbst gesetzte Frist endet heute um Mitternacht; eine endgültige Vereinbarung soll bis Ende Juni stehen. Ein Flop könnte den Anfang vom Ende der Reformhoffnungen im Iran markieren und den Nahen Osten noch tiefer im Chaos versinken lassen.

(RP)
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