Iranisches Doppelspiel in Syrien

Während Aleppo und die syrischen Rebellen unter schwerem Beschuss liegen, hat der Iran als enger Verbündeter von Staatschef Assad ein Treffen der "Freunde Syriens" einberufen, um eine friedliche Lösung zu finden. Zugleich greift Teheran offenbar mit Revolutionsgardisten in die Kämpfe ein.

teheran/aleppo Der Iran versucht, seinen bedrängten Verbündeten, den syrischen Machthaber Baschar al Assad, mit allen Mitteln zu unterstützen. Er setzt Diplomaten und offenbar auch Elite-Soldaten ein. Gestern richtete der Mullah-Staat eine Konferenz der "Freunde Syriens" aus, an der nach Angaben von Vize-Außenminister Hossein Amir Abdollahjan 15 Länder teilnahmen – darunter Russland, China, Pakistan, Irak und Venezuela. Von den internationalen Bemühungen um eine Konfliktbeilegung in Syrien ist der Iran auf Druck der USA ausgeschlossen. Auf dem Gipfeltreffen muslimischer Staaten in Mekka am Dienstag dürfte der Iran ebenfalls weitgehend isoliert sein, deshalb ergreift Teheran nun verstärkt selbst die Initiative.

Anfang der Woche waren hochrangige iranische Unterhändler nach Damaskus und nach Ankara geschickt worden. Said Dschalili, Chef des Nationalen Sicherheitsrats in Teheran und enger Vertrauter des geistigen Führer Ajatollah Chamenei, traf sich mit Assad. Anschließend erklärte er, der Iran wolle "neue Lösungen" ohne ausländische Einmischung. Einen Rücktritt Assads lehnt Teheran strikt ab.

Außenminister Ahmet Ali Salehi flog zur gleichen Zeit in die Türkei. Der Syrien-Konflikt hat das Verhältnis zwischen beiden Ländern getrübt. Viel Energie musste Salehi in Ankara darauf verwenden, die Wogen der Entrüstung über die Worte des iranischen Generalstabschefs zu glätten. Wenige Stunden vor der Ankunft Salehis hatte General Hassan Firouzabadi die Türken gewarnt, sie sollten ihre Unterstützung für die syrische Opposition einstellen. "Sonst ist bald die Türkei an der Reihe."

Der schiitische Iran befürchtet für den Fall eines Sturzes von Assad eine Machtzunahme der USA und der sunnitischen Länder der Region, besonders der reichen Golf-Staaten. Sollte das schiitisch (alawitisch) dominierte Assad-Regime fallen und durch eine Regierung der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit ersetzt werden, wäre das ein herber Rückschlag für die Iraner, denen es in den vergangenen Jahren gelungen war, die Schiiten im Irak nachhaltig zu stärken und damit ihre Macht zulasten der Sunniten auszubauen. Zudem würde ohne ein befreundetes Syrien die Verbindung zwischen dem Iran und den schiitischen Gruppen im Libanon (Hisbollah-Miliz) schwieriger, was die internationalen Einflussmöglichkeiten Teherans weiter einschränken würde. Iranische Waffenlieferungen an die Hisbollah könnten dann vermutlich nicht mehr über Syrien laufen.

Außenminister Salehi hat im Zusammenhang mit den 48 in Syrien entführten Iranern eingeräumt, einige der Geiseln seien früher Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden und der iranischen Armee gewesen. Obwohl der Minister betonte, die Entführten hätten heute keine Verbindungen mehr zu den Sicherheitskräften, stärkt sein Eingeständnis den Verdacht einiger Assad-Gegner, der Iran helfe dem syrischen Machthaber nicht nur mit Rat, sondern auch mit Tat. Nach Angaben der syrischen Opposition hat Teheran die syrischen Behörden seit Ausbruch des Aufstands im März vergangenen Jahres unter anderem bei der Bekämpfung der Regierungsgegner beraten.

Im Kampf um die nordsyrische Metropole Aleppo konzentrierten die Assad-Tuppen ihren Beschuss mit schweren Waffen unter anderem auf das von den Aufständischen gehaltene Viertel Salaheddin. Dies berichteten örtliche Koordinationskomitees und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Die Rebellen geben sich entschlossen, selbst wenn ihnen nach eigenen Angaben die Munition auszugehen droht. "Wir sind hier, um zu Märtyrern zu werden", sagte Abu Ali, ein Kommandeur der Freien Syrischen Armee, zu Reuters-Journalisten in der Stadt. Abu Ali sitzt wegen einer Verwundung im Rollstuhl. "Es ist schwierig, genau zu wissen, was passiert, wegen des Ausmaßes des Bombardements", sagte der örtliche Aktivist Mohammad Said der Agentur AP über den Internet-Telefondienst Skype. "Aber die Rebellen kämpfen noch."

Assad ernannte einen Nachfolger für den zu den Rebellen übergelaufenen und nach Jordanien geflohenen Ministerpräsidenten Riad Hidschab. Die amtliche Nachrichtenagentur Sana meldete, der bisherige Gesundheitsminister Wajel Nader al Halki sei zum Regierungschef befördert worden.

(RP)
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