Paris IS legt französischen Fernsehsender lahm

Paris · Stundenlang war bei TV5 Monde nur ein schwarzer Bildschirm zu sehen. Auch das interne Computersystem fiel komplett aus.

 Der Screenshot zeigt die von IS-Piraten gekaperte Facebookseite des Senders TV5Monde.

Der Screenshot zeigt die von IS-Piraten gekaperte Facebookseite des Senders TV5Monde.

Foto: afp, QL

Das Wort vom Terrorangriff machte schnell die Runde nach der Cyberattacke auf den französischsprachigen Sender TV5 Monde. Die Attentäter griffen diesmal nicht mit Kalaschnikows, sondern mit den Mitteln der Informatik an. "Wieder einmal nehmen sich Terroristen die Meinungs- und Informationsfreiheit zum Ziel", erklärte Laurent Fabius, nachdem er gestern die Sendezentrale in Paris besucht hatte. Nicht nur den Außenminister erinnerte der Cyberangriff an die Anschlagserie im Januar, die mit dem Überfall auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" begann. Auch die Unbekannten, die sich zur Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannten, stellten die Verbindung zu "Charlie Hebdo" her.

"Ich bin IS", verfremdeten sie auf der Facebook-Seite von TV5 Monde das Motto der Solidaritätsbewegung "Je suis Charlie" ("Ich bin Charlie") mit den 17 Opfern. Die Täter veröffentlichten Ausweise und Lebensläufe von angeblichen Verwandten der Soldaten, die sich im Irak an Luftangriffen gegen den IS beteiligen. "Soldaten Frankreichs, haltet euch vom Islamischen Staat fern", lautete die Warnung dazu.

Präsident François Hollande habe mit dem Einsatz im Irak einen großen Fehler gemacht, schrieben die Cyber-Terroristen. "Deshalb haben die Franzosen das ,Geschenk' von Charlie Hebdo und dem koscheren Supermarkt erhalten." Der jüdische Supermarkt "Hyper Cacher" war ebenfalls Ziel der Anschlagserie im Januar gewesen. Angreifer Amédy Coulibaly, der von der Polizei erschossen wurde, bekannte sich in einem nach seinem Tod erschienenen Video zum IS. Dessen angeblicher Internet-Ableger "Cyber Caliphate" war es, der nun TV5 Monde hackte.

Es war eine offenbar lange geplante Offensive der Gruppe gegen den vom französischen Staat mitfinanzierten Sender, der in 200 Ländern, darunter auch Deutschland, zu sehen ist. "Alles ist auf sehr abgestimmte Weise passiert. Kurz nach dem Beginn des Angriffs brach unser internes Computersystem zusammen, und die Programme folgten", erklärte Web-Chefin Hélène Zemmour die in der Fernsehgeschichte einmalige Attacke.

TV5 Monde musste alle elf Programme abschalten; drei Stunden lang war nur ein schwarzer Bildschirm zu sehen. Danach strahlte der Sender vorproduziertes Material aus; die Nachrichtensendungen fielen aus. Journalisten saßen vor schwarzen Bildschirmen, da das Redaktionssystem noch nicht wieder funktionierte. Stunden oder sogar Tage könne es dauern, bis alles wieder normal sei, sagte Senderchef Yves Bigot. Die Website des Senders war gestern Nachmittag nach zwölfstündiger Unterbrechung wieder online. "TV5 Monde im Herzen getroffen", war auf der Startseite zu lesen.

Die Terroristen hatten anscheinend wochenlang Informationen gesammelt, die ihnen Zugang zum Netz des Senders verschafften. Wie heftig die Cyberattacke war, zeigte ein eilig einberufenes Treffen mit den Chefs der großen Radio- und Fernsehsender. Innenminister Bernard Cazeneuve hatte dazu Vertreter der Geheimdienste gebeten, die den Medien das Ausmaß der Bedrohung deutlich machen sollten. Er schaltete auch die staatliche Agentur für Informationssicherheit ein, die sich um die Informatik sensibler Anlagen wie Atomkraftwerke kümmert.

Die französische Regierung nimmt nach den Anschlägen im Januar die Gefahr eines Cyberangriffs sehr ernst. Im neuen Geheimdienstgesetz, das kommende Woche in der Nationalversammlung debattiert wird, soll auch der Kampf gegen den Cyberterrorismus verstärkt werden. "Wir stehen entschlossenen Terroristen gegenüber, und wir sind entschlossen, sie zu bekämpfen", sagte Cazeneuve, der zusammen mit Fabius die Sendezentrale besuchte.

Für Fabius war es die zweite Visite innerhalb von 24 Stunden an der Avenue de Wagram im 17. Pariser Stadtbezirk. Am Mittwoch war der Minister schon einmal bei TV5 Monde gewesen, um den Startschuss für das neue Programm "Art de Vivre" zu geben, das im Nahen Osten und Nordafrika für französische Lebensart wirbt. Dass der Angriff der Terroristen nur Stunden nach dem Sendebeginn erfolgte, war wohl kein Zufall.

(RP)
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