Düsseldorf Jeder Zweite fürchtet den Islam

Düsseldorf · Die Deutschen halten sich für tolerant, doch die Islamfeindlichkeit im Land wächst - selbst bei den Hochgebildeten. Dabei fühlen sich Muslime einer neuen Studie zufolge eng mit Gesellschaft und Staat verbunden.

Der Islam ist die Religion mit dem schlechtesten Image in der Bundesrepublik: 57 Prozent der Deutschen sehen darin eine Bedrohung. 40 Prozent fühlen sich durch muslimische Mitbürger "wie Fremde im eigenen Land". Und jeder Vierte will Muslimen sogar die Zuwanderung nach Deutschland verbieten. Das ist das Ergebnis des aktuellen "Religionsmonitors" der Bertelsmann-Stiftung, für den mehr als 900 nichtmuslimische Deutsche ab 16 Jahren nach ihrem Verhältnis zum Islam befragt worden sind. Die Antworten bekommen vor dem Hintergrund des Attentats auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" in Paris zusätzliche Brisanz.

Das Ergebnis der Studie offenbart einen traurigen Widerspruch, wie Yasemin El-Menouar, Islam-Expertin der Bertelsmann-Stiftung, betont: "In Deutschland lebende Muslime orientieren sich stark an den Grundwerten der Bundesrepublik. Doch die Mehrheit der Bevölkerung nimmt das kaum wahr, sondern steht dem Islam sogar zunehmend ablehnend gegenüber. Das heißt: Muslime werden hier stark ausgegrenzt." Dabei leben zurzeit etwa gut vier Millionen Muslime in der Bundesrepublik, knapp die Hälfte besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Trotzdem ist der Islam für die meisten Deutschen ein Schreckgespenst, das schwer zu fassen ist. Viel weiß man nicht über diese Religion. Nur, dass man Angst vor ihr hat.

Was auch daran liegen mag, dass der Islamismus (nicht der Islam) zu häufig seine hässliche Fratze zeigt - mit salafistischen Predigern, die junge Erwachsene für den "Heiligen Krieg" rekrutieren. Oder mit einer selbst ernannten "islamischen Religionspolizei", bei der Männer in orangefarbenen Warnwesten versuchen, Mitbürger vom Trinken abzuhalten. Verfassungsschützern zufolge können jedoch weniger als zwei Prozent der Muslime in Deutschland dem islamistischen Spektrum zugeordnet werden. Nordrhein-Westfalen gilt dabei als Hochburg des Salafismus: Ende 2013 waren es rund 1500 Islamisten, die als gefährlich eingestuft wurden. Mittlerweile sind es rund 1800, was einem Anstieg um 20 Prozent entspricht. Die meisten Islamisten (rund 200) leben laut Verfassungsschutz in Bonn.

Doch das Bild, das sich viele vom Islam machen, ist geprägt von Stereotypen. Gerade in Berlin kann man das gut beobachten. Eine Figur wie Heinz Buschkowsky reicht, um den Berliner Stadtteil Neukölln, in dem der Migrantenanteil fast 45 Prozent beträgt, bundesweit als Beweis muslimischer Integrationsunwilligkeit zu kennzeichnen. Der SPD-Bürgermeister glänzte jüngst wieder mit einem seiner Stammtischsprüche: "Sie müssen schon über eine solide Pfadfinderausbildung verfügen, um auf der mehreren Kilometer langen Geschäftsstraße einen Imbiss mit Schweinefleischprodukten zu finden". Daraus folgert Buschkowsky: Das "Hier-bin-ich-zu-Hause-Gefühl" in Deutschland schwinde.

Die Ablehnung alles Muslimischen ist der Studie zufolge keineswegs ein Phänomen am Rand der Gesellschaft: Mehr als die Hälfte der Befragten mit Hochschulabschluss fühlen sich durch den Islam bedroht. Was belegt, dass Islamfeindlichkeit durchaus salonfähig ist - selbst bei den Hochgebildeten. Zudem gelte die simple Formel: Je höher der Anteil der Muslime, desto niedriger die Vorbehalte gegen den Islam. So fühlen sich 46 Prozent der Befragten in NRW, wo jeder dritte deutsche Muslim zuhause ist, durch den Islam bedroht, während es in Thüringen und Sachsen, wo kaum Muslime leben, 70 Prozent sind. Gleichzeitig beteuern 85 Prozent aller Deutschen, anderen Religionen generell tolerant gegenüberzustehen. Für den Islam gilt das offenbar nicht.

Ein Großteil der Muslime bezeichnet Deutschland aber als Heimat, wie eine Sonderauswertung des "Religionsmonitors" unter mehr als 300 deutschen Muslimen ergab: Neun von zehn Befragten gaben demnach an, in ihrer Freizeit Kontakt zu Nichtmuslimen zu haben. Stephan Vopel, der die Studie als Soziologe mit betreut hat, begrüßt diesen Wert - und weist auf ein grundsätzliches Problem hin: "Wir brauchen einfach mehr Gelegenheiten für tatsächlichen Kontakt der Menschen untereinander." Ähnlich sieht das Aydan Özoguz, Staatsministerin für Migration: "Ich setze mich deshalb dafür ein, dass Muslime und Nichtmuslime in ihren Nachbarschaften und im Alltag zusammenkommen", betonte die SPD-Politikerin.

Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt, den Islamkunde-Unterricht in den Schulen auszuweiten und auch mehr Lehrstühle für Islamkunde an den Universitäten einzurichten. So könnten Ängste und Vorurteile abgebaut werden. Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor geht noch einen Schritt weiter und fordert, Islamfeindlichkeit künftig rechtlich zu ächten: "Heutzutage darf man Muslime in fast jeder Form beschimpfen, sie herabwürdigen. Das gilt maximal als Beleidigung. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Hetzportale sollten deshalb endlich offiziell vom Staat überwacht werden."

(RP)
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