Abuja Islamisten führen gefangene Mädchen vor

Abuja · Die nigerianische Terrorgruppe Boko Haram will Mitglieder freipressen. Ein Teil der entführten Schulmädchen musste zum Islam konvertieren.

Knapp 130 Mädchen zeigt der etwa halbstündige Film, der vermutlich im Norden Nigerias gedreht wurde. Sie sitzen auf dem Boden, tragen den Hidschab, den muslimischen Schleier, und rezitieren Verse aus dem Koran. Zwei Mädchen sagen in die Kamera, sie seien Christinnen gewesen und jetzt zum Islam konvertiert. Die dritte erzählt von sich selbst, sie sei immer Muslimin gewesen. Dann taucht ein bärtiger Mann im Tarnfleckanzug mit Sturmgewehr auf. "Diese Mädchen, diese Mädchen, um die ihr euch Sorgen macht - wir haben sie befreit. Sie sind Musliminnen geworden", sagt der Mann.

Er heißt Abubakar Shekau, und er ist der Anführer der Islamisten von Boko Haram. Auf ihr Konto geht die Entführung von mehr als 270 Schülerinnen Mitte April aus einer Schule in dem Ort Chibok im nordnigerianischen Bundesstaat Borno. Seither fehlt von ihnen jede Spur. In einem ersten Video hatte Shekau in der vergangenen Woche erklärt, er werde die Geiseln als Sklavinnen verkaufen. Jetzt sagt er, er werde die Mädchen nur im Austausch gegen alle gefangenen Milizmitglieder freilassen. Wo sich die 15- bis 18-jährigen Mädchen aufhalten, ob noch in Nigeria oder bereits im Nachbarland Kamerun, ist unklar. Etwa 200 sollen sich noch in der Gewalt der Terroristen befinden.

"Boko Haram" bedeutet übersetzt in etwa "Westliche Bildung ist Sünde". Die Gruppe kämpft seit 2009 für die Errichtung eines radikalen islamischen Kalifats in Nigeria und hat inzwischen weite Teile des Nordostens ins Chaos gestürzt. Boko Haram ist die erste Extremistengruppe, die in Nigeria Selbstmordattentate verübte. Sie setzt auch Sprengfallen, Panzerfäuste und Schusswaffen ein. Ziele sind Polizei, Militär, Regierungsvertreter, Märkte, christliche und muslimische Geistliche, Banken, Schulen und Mobilfunkmasten. Der muslimische Norden Nigerias ist im Gegensatz zum ölreichen Süden eine der ärmsten Regionen der Welt. 250 000 Nigerianer sind wegen der Unruhen nach UN-Angaben im Land auf der Flucht; weitere 60 000 haben das Land verlassen.

Die Entführung bewegt seit Wochen die Weltgemeinschaft. Durch Internetkampagnen wurden Millionen Menschen mobilisiert, darunter auch Prominente wie die amerikanische First Lady Michelle Obama, die US-Schauspieler Sean Penn und Angelina Jolie. Mehrere Staaten wie die USA, Großbritannien, Frankreich und Israel haben Nigeria Unterstützung bei der Suche nach den Kindern angeboten.

Unter anderem wegen der Entführung der Mädchen, aber auch wegen der allgemeinen Gefahren in der Sahel-Zone, dem dürregefährdeten Landgürtel südlich der Sahara, kündigte der französische Präsident François Hollande für kommenden Samstag einen Sicherheitsgipfel mit mehreren afrikanischen Staaten in Paris an. Zum Gipfel sollten Vertreter aus Nigeria, dem Tschad, Kamerun, dem Niger und Benin kommen. Bereits in der vergangenen Woche hatte Frankreich die Bildung einer grenzübergreifenden Anti-Terror-Einheit mit 3000 französischen Soldaten in der Sahel-Zone angekündigt. Rund 1000 Militärs sollen im Norden Malis stationiert werden, wo Frankreich mit anderen Staaten seit Anfang vergangenen Jahres Krieg gegen islamistische Terroristen führt. Die anderen 2000 Soldaten sollen auf andere Teile der Sahel-Zone verteilt werden.

Derweil gibt es nach Angaben des Gouverneurs des nordöstlichen Bundesstaats Borno, Kashim Shettima, erstmals Hinweise auf den Aufenthaltsort der Geiseln. Nach einem Bericht der Zeitung "Punch" wurden die Informationen an das Militär weitergeleitet. Für die nächsten Tage sei ein Einsatz mit ausländischen Militärexperten geplant, um die Mädchen aufzuspüren.

(RP)
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