Reykjavik Island will Europa mit Strom versorgen

Reykjavik · Island ist eine Vulkaninsel. Das birgt zwar Unannehmlichkeiten. Aber es ermöglicht der kleinen Nordatlantiknation auch, umweltfreundlichen Strom in großem Umfang zu produzieren - und künftig nach Europa zu exportieren. Die Abschaltung von Atomkraftwerken in Europa und die Abwicklung von Kohlekraftwerken im Zuge des Klimaschutzes könnte den Strom aus Island zudem zu einer wichtigen Alternative auf dem Kontinent machen. Auch politische Unsicherheiten wie derzeit wegen der Spannungen mit Russland könnte das politisch stabile Island in der Gunst der Stromkunden steigen lassen.

Seit der isländischen Wirtschaftskrise von 2008, bei der sämtliche Großbanken pleite gegangen sind, ist die nordische Nation auf der Suche nach neuen Einnahmequellen. Die Regierung in Reykjavik schätzt, dass rund 75 Prozent der isländischen Energiekapazitäten derzeit ungenutzt sind. Die rund 325 000 Einwohner Islands brauchen eben nicht so viel. Deshalb will Reykjavik für die Stromversorgung des weit entfernten europäischen Kontinentes ein gigantisches Unterseekabel legen lassen und befindet sich derzeit dazu in Gesprächen mit Großbritannien.

Dorthin soll das rund 1170 Kilometer lange Kabel führen und mit dem europäischen Stromnetz verbunden werden. Das ist ohne große Verluste dank moderner Gleichspannungsübertragung möglich. Die Vorbereitungen für die Leitung nach Großbritannien seien "mit mehreren Projekten" in vollem Gange, heißt es aus Reykjavik. "Diesen Sommer haben wir untersucht, was genau zu tun ist", sagte Industrieministerin Ragnheidur Arnadottir unlängst. Sie habe sich mit dem britischen Energieministerium getroffen, "was das Interesse des Vereinigten Königreichs an dem Projekt bestätigt hat", so Arnadottir.

Island braucht Partner. Es kann ein solch gewaltiges Vorhaben nicht alleine stemmen. Der größte Energieproduzent Landsvirkjun hat errechnet, dass die Vernetzung etwa zwei Milliarden Euro kosten wird. Das sind rund 17 Prozent des isländischen Bruttoinlandsproduktes. Neben der Kostenteilung für den Bau des Stromkabels braucht Island auch verbindliche Strombestellungen, um die eigene Stromproduktion auszuweiten.

Derzeit wird rund 73 Prozent des isländischen Strombedarfs mit Wasserkraft an den Gletschern erzeugt. Der Rest wird durch die reichlich verfügbare Erdwärme generiert. Gegenwärtig wird aber nur knapp 40 Prozent der Erdwärme zur Stromerzeugung genutzt. Das Land produziert derzeit 17 Terawattstunden Strom. Doppelt so viel wäre möglich, heißt es vom Stromversorger Landsvirkjun. Damit sich die Ausweitung der Stromproduktion lohnt, müsste Island rund fünf Terawattstunden nach Europa verkaufen, sagte Landsvirkjun-Chef Hordur Arnason. Für Island könnte dies eine große wirtschaftliche Chance sein. "Wenn dies so vielversprechend ist, wie einige Leute behaupten, wird dieser Zug nicht ohne uns abfahren", sagt Arnadottir.

(RP)
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