Düsseldorf Jagd auf Handy-Sünder am Steuer

Düsseldorf · Die Zahl der Unfalltoten ist stabil, aber der Anteil von Fußgängern und älteren Menschen wächst rapide. NRW-Innenminister Jäger sagt dem Telefonieren während des Fahrens den Kampf an.

Zwei Sätze am Handy, der schnelle E-Mail-Check per Smartphone oder das klassische "Komme zehn Minuten später" als SMS: Im vergangenen Jahr haben die Polizisten in NRW über 146.000 Handy-Sünder am Steuer ermittelt, 14.000 oder über zehn Prozent mehr als im Vorjahr. "Das Handy am Steuer ist zur Seuche geworden", sagte NRW-Verkehrsminister Ralf Jäger (SPD) gestern bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz 2015 und erklärte den Kampf gegen diese "Seuche" für das laufende Jahr zu einem Überwachungsschwerpunkt: "Wer beim Fahren das Handy in die Hand nimmt, soll damit rechnen müssen, erwischt zu werden."

Insgesamt blieb die Zahl der Verkehrstoten in Nordrhein-Westfalen mit 521 (Vorjahr: 522) stabil. Das ist ein relativer Erfolg im Vergleich zum Bundesdurchschnitt, für den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dem Vernehmen nach in Kürze eine deutlich gestiegene Zahl an Unfalltoten für das vergangene Jahr bekannt geben muss. Alarmierend ist in NRW allerdings der deutlich gestiegene Anteil der Motorradfahrer (plus 19 Prozent auf 83), Fußgänger (plus sieben Prozent auf 123) und Senioren (plus neun Prozent auf 173) unter den Verkehrstoten. Zwei Drittel der tödlich verunglückten Fußgänger waren Senioren. Laut Jäger spielen dabei "die steigende Zahl älterer Menschen und deren steigende Mobilität" eine Rolle.

Mehr als jeder dritte tödlich verunglückte Motorradfahrer war zu schnell. Überhaupt ist das Rasen eine der häufigsten Todesursachen im Straßenverkehr: Mit 158 Betroffenen war jeder dritte Verkehrstote 2015 Opfer von Tempoverstößen. Im vergangenen Jahr haben die NRW-Polizisten rund 2,2 Millionen Temposünder erfasst, 2011 waren es 1,43 Millionen. Das ist ein Anstieg um mehr als die Hälfte.

Während Jäger gegen Raser weiter auf seine Blitzmarathons setzen will, hofft er im Kampf gegen das Handy am Steuer auf klarere gesetzliche Vorgaben und hält seine Polizei zur konsequenten Ahndung an. So wird die Auswertung von Smartphones nach einem Unfall in NRW gerade Standard: 2015 stellte die NRW-Polizei 339 Smartphones nach schweren Verkehrsunfällen sicher, um sie auswerten zu lassen. In 182 Fällen gelang der Nachweis, dass die Handynutzung Ursache für den Unfall war, in drei Fällen sogar für einen tödlichen Unfall.

"Viele unterschätzen den kurzen Blick aufs Handy", sagte der Innenminister und rechnete vor: "Wer bei Tempo 50 zwei Sekunden aufs Display schaut, fährt fast 30 Meter in lebensgefährlichem Blindflug." Auch der Gesetzgeber müsse nacharbeiten. Nicht hinnehmbar ist für Jäger zum Beispiel, dass Fahrer eines Autos mit Start-Stopp-Automatik unter Umständen straffrei bleiben, wenn sie zufällig genau dann das Handy nutzen, während das Auto den Motor abgeschaltet hat, um Sprit zu sparen.

Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus, dämpft die Erwartungen Jägers an den verschärften Kampf gegen Handy-Sünder. "Gerade dieser Teil der Verkehrsüberwachung ist besonders personalintensiv, weil die Polizei diese Leute ja live beobachten und dann zur Rede stellen muss", erklärte er. Sein Einwand: "Wir haben gar nicht genug Personal, um da noch mehr zu machen." Voraussetzung für die glaubwürdige Umsetzung eines solchen Handy-Schwerpunktes wäre die Entlastung der Polizei an anderer Stelle, um die notwendigen Kapazitäten verfügbar zu machen. Rettinghaus schlägt etwa vor, die Kommunen stärker in die Tempoüberwachung einzubinden.

(RP)
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