Deutsch-polnischer Streit Kritik aus Deutschland ist in Polen unerwünscht

Düsseldorf · Steuert das Nachbarland im Osten, zu dem Deutschland zuletzt exzellente Beziehungen aufgebaut hatte, unter der neuen Regierung in die Diktatur? Die Frage geht die gesamte EU an, aber es ist die deutsche Kritik, die in Warschau besonders hohe Wellen schlägt.

 "Schon wieder wollen sie Polen überwachen", steht auf dem Titel des polnischen Magazins Wprost. In der Mitte steht Angela Merkel in der Rolle Hitlers, umgeben ist sie von Europa-Politikern.

"Schon wieder wollen sie Polen überwachen", steht auf dem Titel des polnischen Magazins Wprost. In der Mitte steht Angela Merkel in der Rolle Hitlers, umgeben ist sie von Europa-Politikern.

Foto: dpa, ukit lb

Angesichts der großen Aufregung, die dieses Treffen im Vorfeld ausgelöst hatte, war es verblüffend schnell vorbei: Nach nur einer halben Stunde traten der polnische Außenminister Witold Waszczykowksi und der deutsche Botschafter in Warschau, Rolf Nikel am Montag vor die Presse.

Nikel war zum Gespräch ins polnische Außenamt geladen worden, nachdem insbesondere deutsche Politiker den Kurs der neuen polnischen Regierung und namentlich die PiS-Partei von Jaroslaw Kaczynski harsch kritisiert hatten. Doch von Spannungen in den deutsch-polnischen Beziehungen wollten weder Waszczykowksi noch Nikel etwas wissen. Da sei alles bestens, es gebe nur ein paar Missverständnisse.

Das kann man wohl sagen. Ganz offenbar differieren die polnische und die deutsche Sicht auf die Geschehnisse in Polen ganz erheblich. Hintergrund der Kritik aus Deutschland sind neue polnische Gesetze zum Verfassungsgericht sowie zu den öffentlich-rechtlichen Medien, die auf mehr staatliche Einflussnahme zielen. Beide Gesetze sind in Polen selbst heftig umstritten und haben dazu geführt, dass die EU-Kommission am Mittwoch darüber entscheiden will, ob sie im Falle Polens erstmals ein offizielles Verfahren zur Untersuchung der Rechtsstaatlichkeit in einem EU-Mitgliedstaat einleitet. Ein Instrument, über das die EU-Kommission erst seit 2014 verfügt. Sollten in dem Verfahren Verstöße festgestellt werden und sich das EU-Land weigern, diese zu korrigieren, droht der Entzug der Stimmrechte im EU-Rat.

Ob es dazu kommt, ist freilich völlig offen. Zunächst einmal wird Brüssel vermutlich Informationen aus Warschau anfordern, um die Wirkung der Eilgesetze der neuen polnischen Regierung unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo einschätzen zu können. Politische Personalpolitik in öffentlich-rechtlichen Medien gibt es schließlich auch in Ländern wie Deutschland oder Frankreich; und auch bei der Besetzung von höchsten Richterposten spielen Parteibücher eine Rolle. Die Frage ist: Können Justiz und Medien trotzdem noch unabhängig arbeiten?

Daran wird sich zeigen, ob Polen tatsächlich auf dem Weg in die Diktatur ist, wie es Martin Schulz (SPD) glaubt. Der EU-Parlamentspräsident hatte die polnischen Reformen mit einem Putsch verglichen und von einer gelenkten Demokratie nach Putins Art gesprochen. Dass solche Verbal-Kraftmeierei hilfreich ist, glauben jedoch nicht einmal alle Kritiker der polnischen Regierung. Denn sie stärkt den ultrakonservativen Ideologen der Kaczynski-Partei eher den Rücken.

Sicher, es gab große Demonstrationen sowie heftige Proteste in den sozialen Netzwerken gegen die Versuche, Justiz und Medien gefügig zu machen. Aber es gibt auch viele Stimmen, die Europas Einmischung spätestens nach Schulz' Putin-Vergleich für eine Überreaktion halten und darauf verweisen, dass die neue, konservative Regierung in Warschau schließlich aus freien Wahlen hervorgegangen ist.

Statt mit Russland ist die Lage in Polen ohnehin besser mit Ungarn zu vergleichen. Auch dort kam mit Viktor Orbán ein Politiker mit satter Mehrheit an die Regierung und nutzte diesen Spielraum, um seinem Land eine nationale Erweckungskur zu verpassen. Auch in Ungarn waren es die Justiz und die Medien, die die neue Mehrheit als Erstes unter Kontrolle zu bringen trachtete, um ihre "nationale Revolution" voranzutreiben. Ebenfalls im Konflikt mit der EU, aber geschmeidig genug, um es nicht zum Äußersten zu treiben.

Ähnliches könnte Kaczynski versuchen, der sich vor einer Woche mit Orbán getroffen hat. Der rechtfertigt seine Politik gerne unter Verweis auf seinen großen Rückhalt im Volk , und auch Kaczynskis PiS-Partei findet, der Volkswille stehe über dem Recht. Welche Folgen diese Haltung haben kann, sollte man in Europa aus schlimmer Erfahrung gelernt haben. Und darüber darf - darüber muss man mit den Polen reden.

(RP)
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