Brüssel/Düsseldorf Flüchtlingskrise eskaliert - EU droht Spaltung

Brüssel/Düsseldorf · In eindringlichen Worten hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angesichts der Flüchtlingskrise vor einer Spaltung der Europäischen Union (EU) gewarnt. Die EU befinde sich derzeit in keinem guten Zustand, beklagte der Luxemburger bei einer Grundsatzrede im Europäischen Parlament. "Es fehlt an Europa in dieser Europäischen Union, und es fehlt an Union."

Der Spitzeneuropäer, dessen Mutter am Sonntag gestorben war und dessen Vater schwer krank im Hospital liegt, hielt vor EU-Parlamentariern eine hochemotionale Rede. Er frage sich, ob manche Länder die eigene Geschichte nicht mehr kennen: "Haben wir vergessen, dass es einen Grund gibt, dass heute mehr McDonalds oder O'Neills in den USA leben als in Schottland oder Irland?" Er erinnerte an den spanischen Bürgerkrieg, das Nazi-Regime oder den Winter nach dem Prager Frühling, die Menschen in die Flucht geschlagen hätten. "Wir Europäer wissen doch am besten, wie wichtig es ist, Schutz zu gewähren." Es sei "eine Frage der Menschlichkeit und der menschlichen Würde", den Hunderttausenden Flüchtlingen zu helfen, sagte Juncker. Lob fand er für die Deutschen. "Europa, das sind die Menschen, die in München am Bahnhof stehen und die Flüchtlinge begrüßen."

Die EU-Kommission werde auf dem Sondertreffen der EU-Innenminister und Justizminister am kommenden Montag in Brüssel konkrete Schritte für eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen vorschlagen. Um Griechenland, Ungarn und Italien zu entlasten, sollen 120 000 Flüchtlinge zusätzlich auf die EU-Staaten umverteilt werden.

Der Flüchtlingszustrom führt derweil in Europa zu chaotischen Verhältnissen. Dänemark hat den Zugverkehr nach Deutschland vorläufig eingestellt, um keine weiteren Flüchtlinge ins Land zu lassen. Migranten versuchen nun, zu Fuß ins liberalere Schweden zu kommen. Die Dänen wollen sie nach Deutschland abschieben, wenn sie sich nicht im Land registrieren lassen. In Ungarn blockierte die Polizei die Autobahn M5 in Richtung Budapest, nachdem bis zu 250 Migranten eine Polizeisperre an einem Sammelpunkt durchbrochen hatten. Das Parlament in Budapest soll außerdem am 22. September entscheiden, ob die Armee die Polizei bei Grenzkontrollen unterstützen soll.

In NRW sind gestern 2400 Flüchtlinge eingetroffen, davon 900 aus Ungarn. Für heute rechnet das Düsseldorfer Innenministerium mit ähnlichen Zahlen. Morgen treffen Vertreter der kommunalen Spitzenverbände zu einem Krisengespräch mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zusammen. Es sei der Punkt erreicht, an dem die Städte sagen müssten: "Bald geht es nicht mehr", so Bernd Jürgen Schneider vom Städte- und Gemeindebund. Das Land will künftig 1200 Flüchtlinge vom Balkan in vier Schwerpunkt-Einrichtungen, darunter Neuss, unterbringen, sofern der Bund zusagt, deren Asylanträge dort zügig zu bearbeiten.

(RP)
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