Persönlich Jeremy Corbyn . . . ging im Zug zu Boden

Wer regelmäßig mit der Regionalbahn etwa von Duisburg nach Düsseldorf fährt, der kennt das Gefühl von Jeremy Corbyn (67) bestens. Meistens sind nämlich frühmorgens und am späten Nachmittag alle Sitzplätze in den Zügen belegt. Die eifrigen Pendler weichen dann auf den Gang aus, stellen sich vor die Tür oder finden ein wenig Platz auf der kleinen Treppe. Jeremy Corbyn, Parteichef der britischen Arbeiterpartei Labour, ließ sich kürzlich in einer ähnlichen Situation filmen. In einem Zug aus London in den Norden Englands setzte sich Corbyn im Gang auf den Fußboden und hielt Pappbecher und Zeitung in der Hand. Seht her, sagte er in dem Video, unsere Züge sind derart überfüllt, dass wir auf dem Boden Platz nehmen müssen.

Nun war Corbyn nicht zufällig auf der Reise, sondern unterwegs zu einem Wahlkampftermin. Und Richard Branson, Chef des Zugunternehmens Virgin, das Corbyn am liebsten zur Behebung des Problems der vollen Züge verstaatlichen will, unterstellt ihm nun, schon im Zug Wahlkampf betrieben zu haben. Angeblich soll ein weiteres Video der Zugfirma beweisen, dass Corbyn erst an einer Reihe freier Sitze vorbeigegangen ist - um sich dann demonstrativ auf den Boden zu setzen. Ein Bild zeigt auch, wie Corbyn bequem auf einem Stuhl sitzt. Alles Wahlkampf, alles Kalkül, wird nun gemutmaßt.

Corbyn hat es dieser Tage nun wahrlich nicht leicht. Seine Labour-Partei hat nicht nur den Wahlkampf um den Brexit verloren, eine neue Tory-Ministerpräsidentin May vor die Nase gesetzt bekommen, sondern kämpft auch und mit Vorliebe (ähnlich dem deutschen Pendant SPD) mit sich selbst. Der dreifache Familienvater in dritter Ehe wurde 2015 Nachfolger des glücklosen Ed Miliband. Seit dem EU-Referendum gibt es Bestrebungen, Corbyn abzulösen. In einer Urwahl muss er seinen Parteivorsitz nun verteidigen. Er wird zu diesem Zwecke weiter Bahn fahren.

Henning Rasche

(RP)
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