Trauerfeier in Jerusalem Ariel Scharon — Israels umstrittenster Politiker

Jerusalem · Letztes Geleit für Ariel Scharon: Nach einer Trauerfeier im Parlament in Jerusalem wird einer der umstrittensten Politiker Israels auf seiner geliebten Farm in der Negev-Wüste beigesetzt.

Ariel Scharon - Bilder aus dem Leben des umstrittenen Politikers
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Es ist bezeichnend: Auch nach seinem Tod war Ariel Scharon (85) für heftige Debatten gut. Denn nur 24 Stunden vor der offiziellen Beisetzung war noch unklar, wo einer der umstrittensten Politiker in Israels Geschichte begraben werden würde. Eigentlich gebührt ihm ein Platz auf dem Herzl-Berg bei Jerusalem, auf dem die Gebeine der wichtigsten zionistischen Führer ruhen. Doch der treue Ehemann wollte immer an der Seite seiner geliebten Frau Lili begraben werden, auf einem Acker neben seinem Bauernhof. Nur ist das halt kein regulärer Friedhof, jemanden hier zu begraben ist laut israelischem Gesetz eine kriminelle Handlung — typisch für Scharon, der sich nie um Regularien scherte, wenn er etwas erreichen wollte.

Und so ist es kein Wunder, dass man sich auch nach seinem Tod nur in einer Sache einig war. Scharon war ein mutiger Soldat, einer der waghalsigsten, erfolgreichsten und schlimmsten Generale Israels. Doch die arabische Welt und radikale Siedler waren sich in ihrer Einschätzung Scharons einig: Im Gaza-Streifen und in Flüchtlingslagern im Libanon feierte man den Tod des "Schlächters von Beirut", der als Soldat und Verteidigungsminister das Leben unzähliger Araber auf dem Gewissen hatte. Aber auch Siedler frohlockten schadenfroh: "Wir müssen Gott danken, dass er Scharon zu sich genommen hat, bevor er noch größere Katastrophen über die Siedlungen im Westjordanland bringen konnte", sagte die Knesset-Abgeordnete Orit Struck.

Denn Scharon war nicht nur ein harter General und Vater der Siedlerbewegung, sondern auch der Premier, der den Gaza-Streifen räumte und Siedlungen abreißen ließ. Und so fürchtete die Polizei, dass Extremisten ausnutzen könnten, dass seine Leiche vor der Knesset einen Tag lang aufgebahrt wurde, um noch einmal mit Protestaktionen auf Scharons umstrittenes politisches Erbe hinzuweisen. Doch Tausende trauernde Israelis sollten die Möglichkeit erhalten, Scharon die letzte Ehre zu erweisen.

Stationen im Leben von Ariel Scharon
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Stationen im Leben von Ariel Scharon

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Treuer Freund und Ehemann, aber fürchterlicher Gegner

Streit und Zwist gehörten stets zu seinem Leben, genau wie zahlreiche Widersprüche. Er war es gewöhnt, im Mittelpunkt von Debatten zu stehen — als Held und Bösewicht. Er war ein treuer Freund und Ehemann, und ein fürchterlicher Gegner. Medien würdigten ihn als einen der letzten Giganten der Gründergeneration, der die heutige politische Landkarte vielleicht mehr prägte als irgendein anderer.

Als Verteidigungsminister agierte er wie so oft eigenmächtig: Dem Kabinett versprach er 1982, nur einen kurzen Angriff auf palästinensische Terroristen im Libanon zu führen. Aus der Operation wurde der Libanonkrieg, denn Scharon hatte Großes im Sinn: Er marschierte bis Beirut, setzte eine pro-israelische, christliche Regierung ein, mit der er Frieden schließen wollte. Doch sein Plan schlug fehl: Die Syrer ließen den Führer der Christen ermorden. Die Rache christlicher Milizen an Palästinensern wurde zum Massaker von Sabra und Schatila, bei dem mehr als 700 Menschen ermordet wurden. Israel war entsetzt, denn Scharons Armee hatte nichts getan, um den Massenmord zu verhindern. Der Krieg bescherte Israel keinen Frieden, im Gegenteil: Er zog sich bis ins Jahr 2000 hin, kostete Tausende das Leben und führte zur Gründung der Hisbollah-Miliz, heute Israels hartnäckigster Feind.

Der gewiefte Politiker fiel immer auf die Füße. Als Bauminister errichtete er mehr als 140 000 Wohneinheiten für rund eine Million Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Er walzte die Bürokratie seines Ministeriums nieder, was ihm den Spitznamen "der Bulldozer" eintrug. Als Anhänger einer Groß-Israel-Ideologie und Patron der Siedlerbewegung baute er auch in den besetzten Gebieten.

Kontrovers war auch sein Besuch auf dem Tempelberg im September 2000: Als Oppositionsführer protestierte er so gegen die Verhandlungen mit den Palästinensern über eine Teilung Jerusalems. Für die Palästinenser diente der Besuch als Anlass, die zweite Intifada loszutreten. Terror und Vergeltung brachten die Verhandlungen zum Stillstand.

Statt Frieden sehnten die Israelis sich jetzt nach einem starken Mann, der den Terror eindämmen sollte: Kriegsheld "Arik" wurde Premier.

(RP)
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