Persönlich Joachim Gauck . . . muss sich Kritik gefallen lassen

Joachim Gauck ist der elfte Bundespräsident seit 1949. Eine deutliche Mehrheit findet, dass der ältere Herr, der im Januar 75 Jahre alt wird, seine Sache gut mache. Vielleicht bildet sich 2017, wenn Gaucks erste fünfjährige Amtszeit zu Ende geht, im Wahlgremium Bundesversammlung eine Wiederwahl-Mehrheit für den dann 77-jährigen evangelischen Pastor aus Rostock.

Eine zweite Amtszeit im politischen Oberstübchen der Republik - das entspräche dem Wunsch des Mannes, dem nicht erst eine neue Biografie, höflich drapiert, beträchtliches Geltungsbedürfnis bescheinigt. Warum, so wird sich Gauck denken, sollen Politiker nicht eitel sein, Andere in der Öffentlichkeit Stehende, Journalisten zum Beispiel, sind es nicht minder. Biograf Johann Legner, der sein Buch gestern in Berlin durch das Kieler FDP-Schlachtschiff Wolfgang Kubicki vorstellen ließ, wahrt kritische Distanz zum Subjekt seines Interesses; obwohl Legner von 1996 bis 2000 Gaucks Sprecher war, als dieser der Stasi-Unterlagenbehörde vorstand.

Legner überhöht den Aufstieg des Porträtierten vom Pastor zur Nummer eins im Staat nicht als Resultat grandioser Konsequenz eines Überfliegers: Nirgendwo habe Gauck erkennen lassen, dass er in der Lage wäre, Verantwortung zu übernehmen. Erst mit den Wende-Ereignissen 1989 habe sich der antikommunistische DDR-Bürger "neu erfunden". Neue Reputation hat Gauck seit 2012 dem höchsten Staatsamt verschafft. Wirkliche Macht hat auch er nicht, aber mit der Macht des Wortes weiß er zu wuchern. Mit Lust schlüpft der noch verheiratete, doch seit Jahren mit der Journalistin Daniela Schadt liierte Vater von vier Kindern in die Rolle des unbequemen Mahners, etwa wenn er ein wenig penetrant mehr Verantwortung Deutschlands in der Welt fordert. Demnächst wird Gauck Ehrenbürger Berlins. Alle Bundespräsidenten außer den Pechvögeln Horst Köhler und Christian Wulff waren oder sind das.

(RP)
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