Berlin/Tel Aviv Junge Israelis lieben Deutschland

Berlin/Tel Aviv · Beim Besuch des israelischen Staatspräsidenten in Berlin bleiben die Differenzen um palästinensische Gebiete aber nicht außen vor.

Joachim Gauck empfängt Reuven Rivlin im Schloss Bellevue
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Gauck empfängt Rivlin im Schloss Bellevue

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Wenn es um die deutsch-israelischen Beziehungen geht, ist es Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die wegen ihrer klaren Worte noch vor Bundespräsident Joachim Gauck in den Geschichtsbüchern erwähnt werden wird. 2008 bekannte sie sich in der Knesset dazu, dass die "Sicherheit Israels" Teil der "deutschen Staatsräson" sei. In dieser Schärfe hat Gauck sich nie zu Israel bekannt. Auch gestern beim Besuch des israelischen Präsidenten Reuven Rivlin anlässlich 50 Jahre diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel wählte das deutsche Staatsoberhaupt seine Worte sorgfältig.

"Wir Deutschen sind uns unserer moralischen Verpflichtung gegenüber dem jüdischen Volk und dem Staat Israel bewusst, und wir werden nicht zulassen, dass dieses Bewusstsein verblasst", sagte Gauck laut Redemanuskript beim abendlichen Staatsbankett in Schloss Bellevue. Er betonte zugleich, dass die Länder darüber hinaus ihre Werte verbindet.

Mit einem dreitägigen Festprogramm begehen Israel und Deutschland das 50-jährige Jubiläum der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen am 12. Mai 1965. Mittlerweile ist das Verhältnis so eng, dass seit 2008 jährlich Regierungskonsultationen stattfinden, bei denen sich die Kabinette austauschen. Im vergangenen Jahr vereinbarten die Regierungen in Jerusalem sogar, dass Deutschland überall dort auf der Welt Israel diplomatisch vertritt, wo das Land keine eigenen Botschaften unterhält.

Trotz aller Herzlichkeit für Rivlin in Berlin wurden die politischen Differenzen zwischen Deutschland und Israel in der Palästina-Frage deutlich: "Wenn es um den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern geht, sind wir weiter davon überzeugt, dass ein dauerhafter Friede nur mit einer Zwei-Staaten-Lösung möglich ist", sagte Gauck dem Manuskript zufolge. Er forderte: "Und wir wünschen uns, dass beide Seiten aufeinander zugehen und die Rechte des jeweils anderen anerkennen." Auch Kanzlerin Angela Merkel machte die Position der deutschen Regierung für eine Zwei-Staaten-Lösung deutlich. "Da gibt es durchaus mit einigen einen Dissens", sagte sie.

Als Merkel 2008 den Satz mit der Staatsräson sagte, gab er den politischen Zeichenlesern viele Rätsel auf. Wäre sie tatsächlich zum Waffengang bereit, wenn Israel vom Iran oder von Syrien angegriffen würde, oder wollte sie mit dem altmodischen Begriff die deutsche Verantwortung umnebeln? Die weiteren Panzer-Lieferungen an Israel und das energische Vorgehen gegen den "Islamischen Staat" in Syrien und im Iran lassen eher die erste Deutung zu. Auch ihre Herkunft aus der DDR erklärt ihre besondere Beziehung zu Israel. Während die Bundesrepublik eben schon unter Kanzler Konrad Adenauer mit der Aussöhnung begann, fand der SED-Staat nie Beziehung zu Israel und blieb damit moralisch im Unrecht.

Das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland ist mittlerweile so stabil, dass selbst ein offener Affront in Gedichtform, wie der des gerade verstorbenen Schriftstellers Günther Grass 2012 unter der Überschrift "Was gesagt werden muss", die Beziehungen nicht eintrüben konnte. Gegen den immer wieder aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland stellt sich die Mehrheit der Gesellschaft klar und eindeutig.

Dennoch muss das Verhältnis der beiden Nationen als widersprüchlich beschrieben werden. Die Stimmung zerfällt in das Empfinden politischer Skepsis und gesellschaftlicher Attraktivität. In einer Befragung des britischen Instituts Globescan gaben nur 25 Prozent der Israelis an, Deutschlands Einfluss in der Welt sei positiv. Umgekehrt ist das Meinungsbild noch schlechter: Nur elf Prozent der Deutschen glauben, Israel übe positiven Einfluss auf die Welt aus - zwei Drittel dagegen sehen Israels Rolle negativ.

Andererseits bekundeten Anfang dieses Jahres in einer Umfrage der Adenauer-Stiftung mehr als zwei Drittel der Israelis, sie hätten ein gutes Bild von Deutschland. Deutsche Wertarbeit und der Lebensstandard stehen besonders hoch im Kurs. "Noch nie haben die Israelis die Deutschen so positiv gesehen wie heute", sagt Deutschlands Botschafter in Israel, Andreas Michaelis. Er verweist auf die vielen jungen Juden, die heute (meist vorübergehend) in Berlin leben - 25 000 sollen es sein. Umgekehrt gilt Tel Aviv inzwischen als liberaler "Hot Spot" in Nahost, mit einer Partyszene, die Touristen aus Europa fasziniert, und die "Start-up-Nation" Israel zieht bewundernde Blicke auch aus Deutschland auf sich.

(qua)
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