Warschau Polens Präsident stoppt Kaczynski

Warschau · Der polnische Justizstreit nimmt eine überraschende Wendung: Präsident Duda macht von seinem Vetorecht Gebrauch und stoppt die umstrittenen Gesetze der Nationalkonservativen. Das Staatsoberhaupt stammt aus Reihen der Regierenden.

Polens Präsident Andrzej Duda gilt in seiner Heimat als umstritten, doch nun ist er der Mann der Stunde: Mit seinem deutlichen Nein zur umstrittenen Justizreform hat er sich Jaroslaw Kaczynski in den Weg gestellt. Erstmals sei die Macht des Vorsitzenden der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) infrage gestellt worden, titelten polnische Medien. Der PiS-Chef hat zwar kein Regierungsamt inne, gilt aber trotzdem als mächtigster Mann im Land. Ministerpräsidentin Beata Szydlo und Duda galten bisher als seine Marionetten.

Doch im sich zuspitzenden Streit um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz legte der gebürtige Krakauer nun Einspruch gegen gleich zwei äußerst umstrittene Justizreformen aus der Feder der Kaczynski-Partei ein. Tausende um die Demokratie besorgte Bürger waren landesweit auf die Straße gegangen. Opposition und hochrangige Regierungs- und Justizvertreter im In- und Ausland hatten vor einem drohenden Regierungseinfluss auf die Justiz gewarnt. Duda müsse handeln, forderten sie. Mit Erfolg.

Die wachsenden Ängste der Bürger vor einer unterdrückenden Regierung hätten ihn zur schnellen Entscheidung bewogen, sagte der mit einer Deutschlehrerin verheiratete Familienvater, der als deutschlandfreundlichster Politiker unter den Nationalkonservativen gilt. "Polen braucht Ruhe, und dafür fühle ich mich als Präsident mitverantwortlich", sagte der 45-Jährige, der, bevor er 2015 das Amt im Präsidentenpalast übernahm, bescheiden mit Tochter und Frau in einer Krakauer Großwohnsiedlung lebte.

Mühelos hatte das Gesetz zur Neuordnung des Obersten Gerichts das Parlament passiert, in dem die PiS mit absoluter Mehrheit regiert. Kritik löste auch die Reform des über die Unabhängigkeit der Justiz wachenden Landesrichterrats (KRS) aus. Die Novellen lagen zur Unterschrift auf Dudas Schreibtisch bereit.

Experten vermuteten zunächst, der 45-Jährige werde angesichts der Sanktionsdrohung Brüssels Zeit schinden und sie zur Überprüfung ans Verfassungsgericht geben. Sie warnten vor einer Fassade, denn das Tribunal gilt nach einer PiS-Reform 2015 als befangen. Dieses Prozedere hätte das Inkrafttreten der Gesetze und damit auch Strafen der EU-Kommission lediglich hinausgezögert.

Deswegen kam Dudas Machtwort für Reform-Gegner wie -Anhänger überraschend. Kritiker blieben misstrauisch. Denn Duda stammt aus den Reihen der PiS, arbeitete zuvor schon für Jaroslaw und dessen 2010 verstorbenen Bruder und Ex-Präsidenten Lech Kaczynski. Die Nationalkonservativen hatten seinen Wahlkampf unterstützt und dem Politiker quasi über Nacht an die Staatsspitze verholfen. Nicht uneigennützig, wie es heißt: Denn obwohl Duda nach seiner Wahl aus der PiS austrat, winkte er selbst deren umstrittenste Gesetze durch.

Für die Nationalkonservativen habe Duda bereits mehrfach gegen die Verfassung verstoßen, klagte unlängst auch der Doktorvater des an der renommierten Krakauer Jagiellonen-Universität promovierten Juristen. "Ich habe ihn oft gewarnt. Doch leider hat er meine Nummer blockiert, Mails nicht beantwortet und den Kontakt abgebrochen", sagte Professor Jan Zimmermann nach Dudas umstrittener Begnadigung eines prominenten PiS-Mitglieds. Die Rechtmäßigkeit von Dudas damaliger Amtshandlung (2015) prüft nun das Oberste Gericht, dessen Richter durch die PiS-Reform ausgetauscht werden sollten. Dies hätte auch Duda in die Hände gespielt, sagen Experten.

Duda habe tatsächlich ohne Absprache mit der PiS auf eigene Faust gehandelt, vermuten mitunter deswegen auch viele seiner Gegner. Dies legte auch das zunächst überraschte Schweigen der Nationalkonservativen nahe. Wutentbrannt sei Kaczynski zur Krisensitzung in die PiS-Zentrale gerauscht, berichteten polnische Fernsehkommentatoren. Die Eigeninitiative des Präsidenten sei riskant, bewertete der Warschauer Politologe Professor Rafal Chwedoruk laut Agentur PAP. Denn damit drohte der Präsident das Vertrauen treuer Kaczynski-Wähler zu verspielen, die ihm schon einmal zum Wahlsieg verhalfen.

(dpa)
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