Kalkar Deutsche Kampfjets sichern wieder das Baltikum

Kalkar · Vom Niederrhein aus überwacht die Nato den Luftraum von den Alpen bis zum Nordkap. Auch Frankreich gehört bald wieder dazu.

Die Deutsche Luftwaffe wird im September mit vier "Eurofightern" erneut den Schutz des Baltikums übernehmen. Das berichtete Generalleutnant Joachim Wundrak (59), der Kommandeur des Zentrums Luftoperationen in Kalkar, bei dem alle Fäden zur Sicherung des Luftraums zusammenlaufen. "Die Vorbereitungen beginnen in Kürze." Estland, Lettland und Litauen besitzen keine eigenen Abfangjäger und werden darum im Wechsel durch Nato-Bündnispartner unterstützt. Zurzeit teilen sich Belgien, Italien, Spanien und Polen diese Aufgabe.

Wundrak führt am Doppelstandort Kalkar/Uedem am Niederrhein den Nato-Gefechtsstand für die Luftverteidigung des Bündnisses: Von den Alpen bis Nord-Norwegen inklusive des Baltikums überwachen 100 Radaranlagen den Luftraum; in 14 Staaten stehen Abfangjäger rund um die Uhr in Alarmbereitschaft. Auch Frankreich kehre in die integrierte Luftverteidigung des Bündnisses zurück, sagte Wundrak bei einem Empfang in Kalkar. "Im Laufe dieses Jahres wird wohl auch der Norden Frankreichs zu unserem Verantwortungsbereich gehören."

Mehr als 150 mal mussten im vergangenen Jahr Nato-Abfangjäger aufsteigen, um russische Militärflugzeuge in der Nähe des Baltikums aufzuklären - viermal so häufig als noch 2013. Die Aktivitäten der russischen Luftwaffe über der Nord- und Ostsee hatten vor Weihnachten noch einmal massiv zugenommen. "Sie haben qualitativ sehr aufgeholt in den letzten zehn Jahren. Jetzt kommen die neuen Flugzeuge dazu, die über die letzten Jahre bestellt worden sind", informierte Wundrak.

Der Dreisterne-General zeigte sich besorgt, dass deshalb einerseits im Westen "der Bedarf an Luftmacht-Fähigkeiten steigt, auf der anderen Seite überall in den Nato-Mitgliedsstaaten massiv gekürzt wird." Auch die Bundeswehr sei seiner Ansicht nach seit mindestens 15 Jahren unterfinanziert.

"Die Führung in Moskau baut derweil an den Grenzen zur Ukraine ein gewaltiges Drohpotenzial auf - aber eben nicht nur dort. In den vergangenen Monaten mussten wir erhebliche russische Luftaktivitäten im internationalen Luftraum, nahe den Grenzen des Nato-Bündnisgebietes, registrieren", stellte Wundrak fest.

Meldungen über massive russische Verletzungen des Nato-Hoheitsgebiets widersprach der General jedoch: "Es hat nur kleine Luftraumverletzungen gegeben, die ich nicht als Provokation oder Aggression werte." So seien beispielsweise russische Kampfflugzeuge "wenige Hundert Meter" über das Gebiet eines Nato-Staats geflogen, weil sie einem Gewitter ausweichen wollten. "Ich habe meine Piloten angewiesen, gegenüber den russischen Flugzeugen defensiv vorzugehen, also ihnen im Zweifelsfall eher auszuweichen als eine Kursänderung zu erzwingen."

Vom Niederrhein aus überwacht die Bundeswehr auch das All. Zu dem mysteriösen Raumobjekt "Kosmos 2499", das gegenwärtig die Erde umkreist und von Experten verdächtigt wird, ein russischer Killer-Satellit zu sein, wollte Wundrak keine Angaben machen. Er machte aber deutlich, dass das Weltraumlagezentrum in Uedem Aktivitäten im All genau beobachtet: "Wir wollen wissen, was da oben vor sich geht." Nicht nur Staaten wie Nordkorea, sondern auch die USA seien nämlich "zurückhaltend", wenn es um Informationen über ihre Militär-Satelliten gehe.

Das deutsche "Auge im Weltraum" soll auch Raumstationen oder Satelliten-Betreiber vor gefährlichem Raketenschrott in der Umlaufbahn warnen. Nach Angaben der Luftwaffe umkreisen mehr als 13 000 Objekte wie Raketenstufen und Bruchstücke aus Explosionen und Kollisionen von mehr als zehn Zentimeter Größe den Globus. Insgesamt soll die Müllwolke, die zurzeit um die Erde kreist, sogar 600 000 Schrotteile umfassen. Am 10. Februar 2009 war über Sibirien ein amerikanischer Telefon-Satellit mit einem ausgedienten russischen Militär-Satelliten zusammengestoßen und zerstört worden - der bislang spektakulärste "Verkehrsunfall" im All.

"Ohne die Nutzung weltraumbasierter Dienste ist unser gesamtes Leben kaum mehr vorstellbar, man denke an das Smartphone, das Navigationsgerät im Auto oder an TV-Übertragungen aus aller Welt", sagte Wundrak. Auch der internationale Zahlungsverkehr breche ohne GPS-Zeitsignale aus dem All zusammen. "Unser Ziel ist deshalb der sichere Betrieb deutscher Satelliten, die rechtzeitige Erkennung von Bedrohungen und die Warnung der Bevölkerung, wenn zum Beispiel Gefahr durch einen Wiedereintritt droht."

(RP)
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