Angela Merkel aus dem Urlaub zurück Kanzlerin muss die Union befrieden

Berlin · Auf sie warten Landtagswahlkämpfe im Osten und wichtige Entscheidungen in der Außenpolitik. In der Koalition muss sie eine grummelnde CDU und eine erfolgshungrige CSU in Schach halten.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhält sich bei der ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause mit Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) (r.) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhält sich bei der ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause mit Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) (r.) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Foto: Wolfgang Kumm

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich mit einem Feuerwerk an Interviews aus ihrem Urlaub zurückgemeldet. Gezielt stand die Regierungschefin ostdeutschen Regionalzeitungen Rede und Antwort, in deren Ländern gerade Wahlkampf ist. Routiniert setzte sie ein paar populäre Botschaften wie die Angleichung der Ost-West-Renten, die Erhaltung des Solidaritätszuschlag und das Versprechen, dass nach Deutschland auch bei Öffnung der transatlantischen Märkte keine Chlorhühnchen importiert werden. In der Außenpolitik lobte sie US-Präsident Barack Obama für seinen Einsatz gegen die Terrormilizen im Nordirak.

In diesem Spannungsfeld zwischen dem Klein-Klein der Innenpolitik und den großen Krisenherden in der Welt wie Irak, Ukraine und Nahost wird auch die Politik im kommenden halben Jahr stehen. Insbesondere die Vermittlung im Ukraine-Konflikt fordert, ob Urlaub oder nicht, viel Zeit und Kraft der Kanzlerin. Diese Region, die von allen Krisengebieten Deutschland auch räumlich am nächsten ist, wird für Merkel die zentrale außenpolitische Herausforderung bleiben.

Im Irak überlässt man hingegen den Amerikanern die gezielten Militärschläge. Die Deutschen können die stabilsten Zelte bauen und am effektivsten Brunnen bohren. Wenn es allerdings um den Kampfeinsatz geht, stehen deutsche Gesetze, eine Parlamentsarmee und mangelnde Erfahrung im Weg. Dennoch wird die Regierung in den kommenden Wochen und Monaten zeigen müssen, was sie mit der propagierten neuen Verantwortung in der Welt meint. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wurden in dieser Frage bereits deutlich. So hatte Steinmeier Waffenlieferungen in den Irak nicht ausgeschlossen, um zu demonstrieren, dass die Deutschen sich für mehr verantwortlich fühlen als für humanitäre Hilfe und Schutzkleidung. Gestern schloss auch die Kanzlerin Waffenexporte nicht mehr aus.

Die Dominanz der Außenpolitik, so dramatisch die Lage in der Welt auch ist, wird die Popularitätswerte der großen Koalition weiter absichern. Die Zustimmung in der Bevölkerung zu dem Regierungsbündnis liegt ohnehin mit rund 70 Prozent in schwindelerregender Höhe.

Dennoch muss Merkel im Osten um Stimmen kämpfen. Ein Dutzend Wahlkampfauftritte wird die CDU-Chefin ab Mitte kommender Woche in den Städten und in der Provinz der neuen Länder absolvieren. Zwei CDU-Ministerpräsidenten müssen um ihren Posten kämpfen: In Sachsen könnte Stanislaw Tillich wegen der Schwäche seines Regierungspartners FDP Schwierigkeiten bekommen. In Thüringen ist die große Koalition so zerstritten, dass die Sozialdemokraten möglicherweise gemeinsame Sache mit einem Ministerpräsidenten von der Linkspartei machen werden. Dieser Wahlkampf ist wichtig, daher nimmt die Kanzlerin in ihrer ersten Woche nach dem Urlaub auch kaum offizielle Termine in Berlin wahr, sondern widmet sich dem Osten.

Berlin wird ab Anfang/Mitte September mit Ende der parlamentarischen Sommerpause wieder mehr Raum einnehmen. In der großen Koalition hat die SPD die für sie identitätsstiftenden Anliegen durchgesetzt. Mit der sich eintrübenden Konjunktur und dem näher rückenden Start der Schuldenbremse dürfte die Wünsch-dir-was-Sause in der großen Koalition beendet sein. Für weitere Geschenke ist kein Geld mehr da: Steuererleichterungen wie einem Absenken der "kalten Progression" hat Merkel bereits einen Riegel vorgeschoben.

Die Kanzlerin sieht sich nun einer grummelnden CDU gegenüber, die nicht mehr so genau weiß, wofür sie eigentlich steht, und auch mal wieder ein Thema braucht, das sie eint. Prostitutionsgesetz und Pflegereform sind zwar CDU-Projekte, lassen sich aber kaum zu Gewinnerthemen machen. Der dritte Koalitionspartner, die CSU, benötigt dringend einen politischen Erfolg. Und das kann eigentlich nur die Pkw-Maut sein. Doch die Widerstände aus der Koalition und in Brüssel sind so groß, dass der Parteivorsitzende Horst Seehofer das Gesetzesvorhaben schon zur Sollbruchstelle der Koalition erklärt hat.

(qua)
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