Berlin Katars Ölscheichs bauen Gaza auf

Berlin · Scheichs investieren kräftig in den Gazastreifen und versuchen mit Nachdruck, die Hamas zu mäßigen.

Im Schatten der erneut eskalierenden syrischen Bürgerkriegsgefechte vollziehen sich bemerkenswerte Annäherungsversuche innerhalb der nahöstlichen Konfliktlinien. Das Emirat Katar - in sechs Jahren Ausrichter der Fußball-WM - hat angekündigt, die Gehälter für alle Staatsangestellten im Gaza-Streifen zu zahlen.

Für die ölreichen Scheichs sind die 31 Millionen Dollar eher ein Betrag aus der Portokasse - für die 24.000 Beschäftigten ein Beitrag zum Überleben, warten sie teilweise doch schon seit Jahren auf ihre vollständige Bezahlung.

Vor allem ist es die konsequente Weiterentwicklung einer Strategie, die die Scheichs nach dem letzten palästinensisch-israelischen Krieg 2014 starteten, indem sie zusagten, den Gaza-Wiederaufbau mit einer Milliarde zu unterstützen. Seitdem haben sie in Krankenhäuser, Sozialwohnungen, Straßen und weitere Infrastruktur investiert, und dabei stets politischen Rückhalt bei den Israelis gesucht. Der neue Umgang mit der Hamas zeigt sich daran, dass Ägypten nun bereit ist, über eine zeitliche Wiederöffnung der Grenzübergänge zu Gaza zu verhandeln und gleichzeitig Israel Hilfsgüter aus der Türkei an die Hamas-Administration weiterleitete. Vor sechs Jahren hatte Jerusalem noch ein türkisches Schiff mit Waren für den Gaza mit Waffengewalt gestoppt und durch den Tod von neun Besatzungsmitgliedern eine schwere israelisch-türkische Krise heraufbeschworen.

Die verzwickte Situation kam bislang darin zum Ausdruck, dass die Palästinensischen Gebiete geteilt, ja zwischenzeitlich sogar verfeindet war. Die Westbank steht unter dem eher gemäßigten, aber letztlich auch nicht verlässlichen Abbas-Regime der Fatah, der Gaza-Streifen wird von der radikal-antiisraelischen Hamas beherrscht. Die Katar-Millionen für die Menschen in Gaza sind Teil einer Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik. Diplomaten berichten, dass Katar nicht nur mit dem Gehaltscheck wedelte, sondern zugleich mit der Schließung des Hamas-Büros in Doha drohte. Die Radikalen sollen Gemäßigte werden.

Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, analysiert zwei strategische Ziele Katars: "Das eigene Image als konstruktiver Spieler in der Region aufrechtzuerhalten und iranischen Einfluss im Gazastreifen zu unterminieren". Letzteres entspreche sogar noch dem Interesse Israels, sagte Perthes unserer Redaktion.

Tatsächlich ist die Hamas jahrelang vom Iran finanziert worden. Die Mullah-Millionen flossen vor allem in die Bewaffnung der berüchtigten Kassam-Brigaden, die für militante Angriffe auf Israel stehen und ein Existenzrecht Israels kompromisslos ablehnen. Die EU führt sie als Terrororganisation. Wie weit ihre Handlungsfähigkeit bereits eingeschränkt ist, lässt sich schwer ermitteln. Der Druck auf eine konstruktive Haltung der Hamas ist jedoch enorm, zumal er von Saudi-Arabien verstärkt wird.

Dahinter steckt das Bemühen der Saudis, den Einfluss Teherans auf die Region zu schmälern. Der Iran war in der Folge des Atom-Deals mit dem Westen deutlich aufgewertet worden - sehr zum Missfallen Israels. Der Bruch zwischen dem Iran und Saudi-Arabien und in der Folge eine Annäherung der beiden reichen arabischen Staaten an Israel findet seine praktische Auswirkung in Gaza.

Unter Diplomaten wurde die jüngste Reise einer saudischen Delegation nach Israel mit großem Interesse verfolgt. Offenkundig ging es dabei auch darum, die Chancen für einen alten, bislang stets abgelehnten Saudi-Plan auszuloten. Frieden gegen Gebietsabtretung lautete die Formel. Israel soll Korrekturbedarf angemeldet haben. Was heißt: Eine neuer Anlauf ist möglich.

(RP)
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