Slawjansk/Moskau Kiew setzt Panzer in der Ost-Ukraine ein

Slawjansk/Moskau · Vermummte Kämpfer ukrainischer Regierungseinheiten und Panzerfahrzeuge rücken in der Ostukraine gegen prorussische Kräfte vor. Mindestens fünf "ausgelöschte Terroristen", wie Kiew sie nennt - so lautet die Bilanz eines blutigen Tages in der von Moskau-treuen Aktivisten kontrollierten Stadt Slawjansk. Es sind die bisher größten Gewaltexzesse im Machtkonflikt in der Ex-Sowjetrepublik.

Ukraine: Menschenmenge stellt sich Panzern entgegen
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Auch das russische Staatsfernsehen zeigt Bilder wie aus einem Bürgerkrieg: Kampfhubschrauber über der Stadt, in Flammen stehende Barrikaden aus Reifen, Rauchschwaden und bis an die Zähne bewaffnete Uniformierte. Lange dürfte sich Russlands Präsident Wladimir Putin das Chaos im russischsprachigen Osten der Ukraine nicht mehr ansehen.

Ein ernstes Verbrechen sei es, wenn eine nicht einmal gewählte Führung das Militär gegen das eigene Volk einsetze, meint der russische Präsident bei einem Medienforum in St. Petersburg. Putin hat immer wieder betont, dass die neuen Machthaber in Kiew nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch lieber den Dialog mit den prorussischen Kräften suchen sollten, um gemeinsam über die Zukunft des Landes zu sprechen. Er wirft ihnen aber inzwischen vor, völlig verrückt geworden zu sein und mit Kanonen und Panzern gegen friedliche Menschen vorzugehen.

Die prorussischen Kräfte in Slawjansk im Gebiet Donezk fordern weitgehende Autonomierechte für die Region. Doch statt zu verhandeln, lässt der von der EU und den USA unterstützte Regierungschef Arseni Jazenjuk im fernen Kiew zurzeit der Eskalation ihren Lauf. Die Lage verschärft sich von Tag zu Tag. Und auch die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa kommen nur schwer voran.

Panzer mit russischer Flagge fahren durch Kramatorsk
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Bis zu 11.000 Mann soll Interimspräsident Alexander Turtschinow in Marsch gesetzt haben, um aufzuräumen in der Region. Als Antwort und zunächst wohl nur zur Abschreckung für Kiew lässt Putin nun auch sein an der Grenze bereits seit Langem verstärktes Militär in Bewegung setzen. Noch nicht für einen Einsatz zum Schutz russischer Bürger, für den er seit März die parlamentarische Vollmacht hat, sondern übungsweise.

Die prorussischen Kräfte warnen nun stärker denn je vor einem Bürgerkrieg. Der "Volksbürgermeister" der Stadt Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, droht den Angreifern im Interview des russischen Staatsfernsehens: "Wir bereiten ihnen ein zweites Stalingrad." Die "Selbstverteidigungskräfte" wollten weiter um ihre Autonomierechte kämpfen, betont auch deren Sprecher Miroslaw Rudenko in Donezk.

Mit Schützenhilfe des vom Kreml gesteuerten Moskauer Staatsfernsehens stellen die Aktivisten ihren Einsatz noch immer als Kampf gegen den angeblich wachsenden Einfluss gewaltbereiter Rechtsextremisten in der Ukraine dar. Zwar hat der gewaltbereite "Rechte Sektor" um den Ultranationalisten Dmitri Jarosch zugesichert, die "Anti-Terror-Operation" der Regierung zu unterstützen. Als Präsidentenkandidaten bei der für den 25. Mai geplanten Wahl werden Jarosch aber keine Chancen eingeräumt.

Mit dem Militäreinsatz will Kiews Regierung die Lage einen Monat vor der Abstimmung weitgehend stabilisieren. In den Städten im Raum Donezk und Lugansk hätten "Verbrecher" öffentliche Gebäude besetzt, Menschen umgebracht und gefoltert und Geiseln genommen, heißt es zur Rechtfertigung. Die verängstigte Bevölkerung müsse endlich befreit werden von diesen Belagerern, sagt ein Geheimdienstmitarbeiter in Kiew. Es werde alles dafür getan, damit Kinder bald wieder zur Schule gehen, Behörden und Unternehmen wieder ihre Arbeit aufnehmen könnten.

(dpa)
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