Analyse Klonen – Segen oder Fluch?

Düsseldorf · US-Forschern ist es gelungen, menschliche embryonale Stammzellen zu klonen. Ob damit eine Heilungschance oder ein Tabubruch verbunden ist, bleibt umstritten. Auf Therapien müssen Patienten noch warten.

Das letzte Weihnachtsfest verbrachte Shoukhrat Mitalipov komplett in seinem Labor. "Ich war so aufgeregt, ich konnte nicht anders", berichtete der Biologe gestern in US-Medien. Die Ursache für die Aufregung im US-Bundesstaat Oregon war ein Zellhaufen in einer Petrischale, kaum einen Millimeter groß: ein erfolgreiches Experiment zum Klonen von Menschen.

Mitalipov und sein japanischer Mitarbeiter Masahito Tachibana haben die Erbinformationen eines acht Monate alten Kindes aus dessen Hautzelle entnommen und sie erfolgreich in eine gespendete Eizelle eingepflanzt. Sie konnten die Eizelle bis zu einem Zustand kultivieren, dass sie ihr nun embryonale Stammzellen entnehmen können. Diese begehrten Zellen sind die Alleskönner der biologischen Menschwerdung; aus ihnen entstehen alle Typen von Zellen, die unser Körper benötigt.

Theoretisch ist es aber auch möglich, dass sich diese Stammzellen nach dem Einnisten in der Gebärmutter zu einem Embryo entwickeln. Das Ergebnis wäre dann ein Mensch mit dem identischen Erbgut wie dem des acht Monate alten Kindes – ein Klon. Shoukhrat Mitalipov will das nicht. Bei der Veröffentlichung seiner Ergebnisse in der angesehenen Wissenschaftszeitschrift "Cell" stellte er fest, dass die Zellen sich wohl nicht zu einem Menschen entwickeln würden. Es gibt kaum einen Forscher weltweit, der damit mehr Erfahrung hat.

Mitalipov gelang 2007 zwar das Klonen von Affenzellen, allerdings starben alle Affenembryonen aus unbekannten Gründen während der Schwangerschaft ab. Aus den embryonalen Stammzellen will Mitalipov stattdessen Gewebe entwickeln, das erkrankte Organe ersetzen könnte. Der Vorteil: Geklonte Zellen werden vom Körper nicht abgestoßen, weil sie die gleiche Erbinformation besitzen. Ohnehin hat sich die Klon-Euphorie in den vergangenen Jahren gelegt. Der Traum, einen geliebten Menschen zu reproduzieren, wird wohl noch sehr lange unerfüllt bleiben, schätzen Experten.

Das Schicksal der Tiere, die bisher nach dem gleichen Verfahren wie beim Schaf Dolly geklont wurden, macht deutlich, dass Klonen mehr Elend als Freude erzeugt. Die Klon-Tiere sind kränklicher, sie sterben früher und manche sehen auch noch anders aus als das Original. So entwickeln geklonte Katzen etwa eine andere Fellzeichnung, was zur Enttäuschung beim Auftraggeber führt.

Nicht zuletzt deshalb hat sich Mitalipov vielen Diskussionen gestellt, arbeitet weltweit mit Stammzellforschern zusammen und gilt als ein Mann ohne jegliche Nähe zu Frankenstein. Schritt für Schritt verbesserte er die Methodik in mehr als 1000 Experimenten mit Affenzellen seit 2007, sein Erfolg hängt dabei vor allem vom handwerklichen Geschick der Mitarbeiter ab.

Man darf getrost sagen, dass Masahito Tachibana wohl über ein außerordentliches Talent verfügt. Den entscheidenden Durchbruch brachten ein besonderer Umgang mit der Eizelle und schließlich der Zusatz von Koffein in einem bestimmten Entwicklungsschritt. Erst im September 2012 wurde das an Affenzellen optimierte Verfahren auch an menschlichen Zellen getestet. Die größte Arbeit sei dabei die Kontrolle der rechtlichen Rahmenbedingungen gewesen, scherzte der Forscher gestern.

In Deutschland und den meisten Ländern Europas sind Klon-Experimente verboten, in Oregon profitierte Mitalipov von einer laxeren Gesetzgebung. Dennoch wirken Mitalipovs Ergebnisse wie ein Fremdkörper. Die Stammzellforscher konzentrieren sich seit fast zehn Jahren auf induzierte pluripotente Stammzellen, die sogenannten iPS-Zellen, die ebenfalls aus Hautzellen gewonnen werden können. Dazu wird mit biochemischen Tricks die Spezialisierung der Zelle ausgeschaltet und der ursprüngliche embryonahe Zustand wiederhergestellt. Im vergangenen Jahr ging dafür der Nobelpreis für Medizin an den Japaner Shinya Yamanaka.

Auch diese iPS-Zellen können in jeden Typ Körperzellen verwandelt werden, sie werden vom Empfänger nicht abgestoßen. In der Therapie von Mäusen haben die Zellen bereits Erfolge gezeigt. Durch ihre Verwendung wurden sogar gesunde Mäuse geboren. Jetzt lässt sich die Qualität der beiden Verfahren gegenüberstellen. Viele Stammzellforscher plädieren deshalb dafür, aus den Hautzellen des acht Monate alten Kindes – das an einer genetisch bedingten Krankheit leidet, für die es derzeit kein Heilverfahren gibt – nun auch iPS-Zellen herzustellen. "Dann könnte man die Leistungsfähigkeit der beiden Stammzelltypen direkt vergleichen", sagt Hans Schöler, Direktor am Max-Planck-Institut in Münster. Er hält die iPS-Zellen für näher an der praktischen Verwendung, weil sie ohne Eizellspende in der Therapie zum Einsatz kommen können.

Für die Zellen aus Oregon verwendeten die Forscher Eizellen von besonders jungen Frauen. "Die Qualität der Eizellen scheint entscheidend zu sein und könnte erklären, warum das Klonen menschlicher Zellen trotz zahlreicher Versuche bisher nicht funktioniert hat", sagte Schöler. Den Frauen, die Eizellen spendeten, zahlte Mitalipov bis zu 7000 Dollar.

Der US-Forscher erklärte gestern auch, dass er "keine weiteren Experimente plane, die das Ziel haben, Menschen zu klonen". Er werde die Zellen auch nicht in eine Gebärmutter einsetzen. Diese Ankündigung Mitalipovs scheint glaubhaft: Solange das Klonen von Affen nicht gelungen ist, wird niemand sich an Versuche mit Menschen wagen. Zudem hat der Stammzellforscher aus seinen Experimenten nie ein Geheimnis gemacht. Das weiß auch Hans Schöler: "Mitalipovs Arbeitsgruppe lädt jedes Jahr viele Gastwissenschaftler ein."

(RP)
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