Analyse Für wen der SEK-Skandal gefährlich wird

Klaus Rüschenschmidt · Die Anzeichen für haarsträubende Fälle von Mobbing und Misshandlung bei einem Kölner Spezialeinsatzkommando der Polizei verdichten sich immer mehr. Damit rückt die Frage nach der politischen Verantwortung in den Vordergrund.

SEK bis GSG9: Die deutschen Spezialeinheiten
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Foto: dpa, cch fdt

Mit der Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen 15 Beamte des Kölner Polizeipräsidiums bekommt der Skandal um die dortigen Spezialeinheiten eine politische Dimension: Wer wusste wann was und hat wie reagiert? In den Fokus geraten NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers und der Leitende Polizeidirektor Klaus Rüschenschmidt.

Nach einander ergänzenden Recherchen des "Kölner Stadtanzeigers", des "Express" und unserer Redaktion sollen Mitglieder eines Kölner Spezialeinsatzkommandos (SEK) einen Kollegen im Rahmen eines Aufnahmerituals tagelang immer wieder gefesselt, erniedrigt und danach monatelang gemobbt haben. Zuvor wurde bekannt, dass führende Beamte der Kölner Spezialeinheiten wohl einen Polizeihubschrauber für ein Abschiedsfoto auf einem Pfeiler der Severinsbrücke missbraucht und die private Veranstaltung als Höhenübung getarnt haben. Parallel zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat Albers elf Disziplinarverfahren eingeleitet.

So arbeitet ein Spezialeinsatzkommando (SEK)
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Foto: dpa, mb htf olg

Dass die Ermittlungen ergebnislos enden, ist angesichts der aus redaktioneller Sicht guten Quellenlage unwahrscheinlich. Zumal der "Express" gestern weitere Vorwürfe hinsichtlich des Konsums von Drogen und des Diebstahls bei einer Festnahme kolportierte, die allerdings unbestätigt blieben. In jedem Fall wackeln mit dem Skandal jetzt schon mehrere Köpfe. Innerhalb der Kölner Spezialeinheiten ohnehin: Ein mutmaßlich Beteiligter musste bereits seine Ausbildung zum Höheren Dienst abbrechen. Je nach weiterem Verlauf müssen auch Jäger, Albers und Rüschenschmidt um ihre Ämter bangen.

Der Innenminister ist noch am wenigsten gefährdet. Bislang hat er alles richtig gemacht: Noch bevor die Staatsanwaltschaft ermittelte, ordnete Jäger als Reaktion auf die ersten Berichte unserer Zeitung eine Revision sämtlicher SEKs in NRW an. Damit setzte er sich frühest- und weitestmöglich an die Spitze der Aufklärung. Gefährlich für ihn wird es erst, wenn er auf neue Enthüllungen zu spät oder zu lasch reagiert.

Weil der Kölner Polizeipräsident näher am Geschehen ist als Jäger, ist sein Risiko höher. Mit der Einleitung der Disziplinarverfahren, dem Einschalten der Staatsanwaltschaft und der offensiven Aufforderung an seine gut 5000 Polizisten, Misshandlungen, Mobbing und den Missbrauch von Polizeigerät niemals zu dulden und entsprechende Vorgänge umgehend zu melden, hat auch er angemessen reagiert.

Die Frage ist: Hat er auch rechtzeitig reagiert? Auf Anfrage unserer Zeitung erklärte ein Sprecher des Kölner Polizeipräsidiums, Albers habe erst durch die Anfrage unserer Redaktion von der vorgetäuschten Höhenübung auf der Severinsbrücke erfahren. Das war am 7. Juni. Von den Mobbing- und Misshandlungsvorwürfen will Albers erst Mitte Juni erfahren haben. Das wäre nach unserer Redaktion vorliegenden Erkenntnissen Monate, nachdem das mutmaßliche Opfer die Vorgänge bei den intern zuständigen Stellen angezeigt hat.

Damit könnte sich die Frage stellen, ob Albers seine Behörde angemessen organisiert: Muss der Chef nicht sicherstellen, dass ihn Vorwürfe diesen Ausmaßes schneller erreichen? Wann wusste er was? Genau dazu hat der Polizeiexperte der CDU im Landtag, Gregor Golland, einen schriftlichen Bericht beim Innenminster angefordert. Die Antworten werden in den Akten des Polizeipräsidiums Köln stehen und wohl spätestens am 27. August beantwortet: Dann steht das Thema "Polizeiskandal Köln" als erster Punkt auf der Tagesordnung im Innenausschuss.

Für den Leitenden Polizeidirektor wird es eng. Im Polizeipräsidium Köln verantwortet er eine von fünf Direktionen: Zu seiner Direktion "Besondere Aufgaben" gehören die Spezialeinheiten, die auch die SEKs umfassen. Damit ist der Spitzenbeamte sehr nah am Geschehen.

Im Innenministerium gilt er als exzellenter Fachmann. Ihm wird nachgesagt, dass er deshalb langfristig auch einen Aufstieg ins Ministerium anstrebe. Bei den Polizeibeamten an der Basis ist sein Ruf zwiespältig. Zu den freundlicheren Etiketten, mit denen seine Kritiker ihn auszeichnen, gehört "Besserwisser". Öffentlich geriet Rüschenschmidt zuletzt im Herbst in die Kritik, als im Einsatz gegen randalierende Hooligans in Köln fast 50 Polizisten verletzt wurden.

Rüschenschmidt hatte den Einsatz geleitet. Aus Sicht von Beobachtern ist er nicht mehr zu halten, wenn die Vorwürfe gegen die Mitarbeiter seiner Direktion sich bestätigen - unabhängig davon, wann er persönlich davon erfahren hat. Gängige Auffassung ist: Er hat seine Direktion schlicht so zu führen, dass sich solche Vorfälle nicht ereignen.

(RP)
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