Saarbrücken Kramp-Karrenbauers Spiel gelingt

Saarbrücken · Als erfolgreiche politische Zockerin erwies sich die alte und neue saarländische Ministerpräsidentin des Saarlands gestern Abend: Die Aufkündigung der "Jamaika"-Koalition hat ihr genutzt. SPD-Spitzenmann Heiko Maas scheiterte dagegen auch im dritten Anlauf auf die Staatskanzlei.

Heiko Maas stand niedergeschlagen da in der Saarbrücker Wahlnacht. Der drahtige SPD-Spitzenkandidat und Triathlet hat abermals das Ziel verfehlt, Ministerpräsident des Saarlandes zu werden. So war es schon 2004 und 2009. Der 45 Jahre alte Maas hatte sich im Wahlkampf auch als politischer Ausdauersportler in Szene gesetzt: Entschieden werde wie beim Triathlon nach der dritten Disziplin, hatte er angekündigt.

Gestern Abend, nach Schließung der Wahllokale, feixte im Festzelt der Linkspartei vor dem Staatstheater ein Oskar-Lafontaine-Sympathisant über Maas, den der Heros der Saar-Linken als "Heikochen" verspottet: "Ha, beim Schwimmen hat er sich verschluckt, beim Radfahren verfahren, und jetzt beim Laufen kommt er wieder nur als Zweiter ins Ziel."

Maas musste erst schlucken, dann sagte er, jeden Zweifel an seiner Standfestigkeit zerstreuend, er stehe zu seinem Wort – also kein Bündnis mit der Linkspartei. Warmer Beifall folgte, mehr allerdings nicht. Linkspartei-Landeschef Rolf Linsler buhlte dennoch unverdrossen um die Gunst des SPD-Spitzenkandidaten: Der könne doch nur mithilfe der Linkspartei Ministerpräsident werden. "Peinlich, der Typ", schnaubte indes ein Sozialdemokrat im Juso-Alter, der Linsler vor einem der Kongresshallen-Bildschirme zuhörte.

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, keine Triathletin, aber eine erfolgreiche politische Zockerin, strahlte, so wie die Sonne über dem St. Johanner Markt, der Open-Air-Wohnstube der Saarbrücker im Zentrum der Landeshauptstadt, wo gestern kein Bistro- und Wirtshausstuhl lange leer geblieben war. Beim Bistro "Alex" an der Saarstraße stand auf der Markise geschrieben: "Das Leben ist schön." So sah es am Abend auch die alte und wohl auch neue Regierungschefin in Anwesenheit ihrer jauchzenden Anhänger. Bei der CDU-Wahlparty in der Elektrohalle eines ehemaligen Stahlwerks gesellte sich zur Sommerzeit Sommerabend-Laune zum Frühlingsanfang. "'S Annegret, Wahnsinn", riefen Jungunionisten vom Team "AKK", dem Kürzel für Annegret Kramp-Karrenbauer.

Hätte die zierliche Frau mit der praktischen Kurzhaarfrisur und dem markanten Brillengestell gestern Pech gehabt, wäre sie die Saar-Ministerpräsidentin mit der kürzesten Amtszeit (sie regiert seit August 2011) gewesen – "aber die mit dem längsten Namen", setzte die Erfolgreiche spätabends in fröhlicher Runde lachend hinzu. "An-ne-gret, An-ne-gret", dröhnten einige Fans. Ein Christdemokrat der 50-plus-Generation, der Kramp-Karrenbauers Aufkündigung der "Jamaika"-Koalition Anfang Januar für waghalsig gehalten hatte, sprach nun für viele in der Halle: "Sie hat was riskiert und gewonnen – noch Fragen?"

Auf dem Gelände der Uni Saarbrücken war die Stimmung am besten. Hier schien eine Asta-Fete mit Jungvolk im Überschwang der Gefühle stattzufinden: Die Piraten-Partei feierte, sang, tanzte. Jasmin Maurer, die gestern erkrankte junge Spitzenkandidatin, "sehr liberal" nach eigener Einschätzung, hatte sich auf Facebook am Morgen auch orthografisch sehr liberal zu Wort gemeldet: "Ich gehe gleich mein Kräuzchen machen." Rechtschreibfehler? Ein Maurer-Mitkämpfer schüttelte seinen Kopf: "Egal, wir sind drin im Landtag, auf Anhieb, und wie." Pirat Andreas Augustin zog dieses Fazit: "Ich hätte uns eher bei neun bis zehn Prozent gesehen, aber so ist's auch sehr gut."

Die FDP hatte sich auf den drohenden politischen Totensonntag zu Frühlingsbeginn seit Längerem eingestellt. Die Stimmung in einer Brasserie: Kopf hoch, es kann nicht mehr schlimmer kommen. Den Saar-Grünen jedoch ging die Wackelpartie um die fünf Prozent unter die Haut. Im Bistro "Mahlzeit" schien manchem Grünen der Bissen im Hals steckenzubleiben. Ein deftiges "Prost Mahlzeit!" hätte im Bistro "Mahlzeit" auch gepasst.

Internet Video, Fotos und Reaktionen unter www.rp-online.de/politik

(RP)
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