Kreuth Cameron präsentiert CSU neuen Konservatismus

Kreuth · Alle schauen auf die Kanzlerin. Dabei dürfte der Auftritt des britischen Premierministers in Kreuth spannender werden.

Die Erwartungen an den Besuch der Kanzlerin bei der Klausurtagung der CSU heute im bayerischen Wildbad Kreuth sind angesichts des Streits zwischen den Schwesterparteien in der Flüchtlingspolitik groß. CSU-Chef Horst Seehofer hat mit seiner Forderung nach einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr die Kanzlerin unter Druck gesetzt. Dass Merkel indes ihre konträre Position in der heimeligen Atmosphäre in den Bergen räumen wird, ist nicht zu erwarten.

So könnte der Auftritt eines anderen Regierungschefs morgen früh spannender werden. Großbritanniens Premier David Cameron will mit der CSU nicht nur über die Flüchtlingskrise sprechen und seine europakritischen Positionen erläutern, sondern den Christsozialen auch seine Idee eines "neuen Konservatismus" präsentieren. Das Konzept, das auch schon im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale der CDU, mit Interesse ausgewertet wird, soll die Konservativen in England entgegen ihrer öffentlichen Wahrnehmung zum Vorreiter einer gesellschaftlichen Modernisierung machen.

Horst Seehofer – Merkels mächtiger Gegenspieler im Foto-Porträt
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Foto: dpa/Sven Hoppe

Cameron will etwa die Chancengleichheit zum Thema seiner Partei machen. So kämpft er als Regierungschef gegen die Diskriminierung von Minderheiten, er will die Rechte von Homosexuellen gesetzlich stärken und Firmen zwingen, die Gehälter von Frauen und Männern offenzulegen. Kandidaten sollen sich anonym um Jobs bewerben können, damit sie nicht Opfer von Vorurteilen werden. Dies nennt Cameron einen "neuen Konservatismus" und dürfte damit die CSU ein wenig überraschen. Im Merkel-Flügel der CDU werden die Londoner Ideen mit Wohlwollen beobachtet. In Analogie zum "Schröder-Blair-Papier", einem Grundsatzpapier zur Modernisierung der sozialdemokratischen Parteien von den damaligen sozialdemokratischen Regierungschefs Tony Blair und Gerhard Schröder, ist in der CDU-Spitze von einem "Merkel-Cameron-Papier" die Rede, das die Regierungschefs im Vorfeld des Referendums in Großbritannien über einen möglichen EU-Austritt der Briten veröffentlichen könnten. Es soll die Nähe der deutschen und der britischen Konservativen demonstrieren. Ob die CSU dies auch so sieht, bleibt abzuwarten. In der EU-Politik gibt es bereits Übereinstimmung zwischen Cameron und der CSU. Beide wollen die Zuwanderung in die nationalen Sozialsysteme aus ärmeren EU-Staaten verhindern. Und sie wollen Zuständigkeiten von der EU an die Mitgliedstaaten zurückverlagern. "Einige seiner europapolitischen Forderungen decken sich mit unseren Forderungen", sagt der CSU-Mann Stefan Müller, "wir freuen uns auf Cameron."

(brö)
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