Madrid/Brüssel Kritik nach Inhaftierung von Separatisten in Katalonien

Madrid/Brüssel · Die Inhaftierung von neun Ministern der abgesetzten Regionalregierung Kataloniens hat in Spanien und auch international Kritik ausgelöst. Gestern waren die Blicke der Spanier aber in erster Linie nach Brüssel gerichtet, wo der entmachtete Regionalpräsident Carles Puigdemont jede Minute ebenfalls mit seiner Festnahme rechnen musste. Ein spanisches Gericht hat gestern einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont erlassen. Neben ihm seien auch vier Ex-Minister betroffen, die sich ebenfalls nach Brüssel abgesetzt hätten, hatte der Jurist Paul Bekaert am Donnerstagabend dem belgischen Sender VRT NWS unter Berufung auf Angaben Puigdemonts gesagt. Eine offizielle Bestätigung aus Madrid gab es dafür nicht.

Puigdemont und die vier Ex-Minister halten sich mutmaßlich weiter in der belgischen Hauptstadt auf. Nach einem europäischen Haftbefehl muss das Land, in dem die Person festgenommen wird, diese innerhalb von 60 Tagen nach der Festnahme an das Land übergeben, in dem der Haftbefehl ausgestellt worden ist. Stimmt die Person ihrer Übergabe zu, so muss innerhalb von zehn Tagen darüber entschieden werden. Dem Separatisten-Chef droht in Spanien eine lange Haftstrafe. Ihm und den anderen Angeklagten werden Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Grund ist unter anderem der einseitige Unabhängigkeitsbeschluss, den das Parlament in Barcelona am 27. Oktober verabschiedet hatte. Die Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die katalanische Führung daraufhin abgesetzt.

Das harte Vorgehen der spanischen Justiz stieß auch in Deutschland auf Kritik. Die Kriminalisierung der Unabhängigkeits-Befürworter schaffe keine Lösungen, sondern vertiefe nur die Gräben, erklärte der Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius. So würden "Märtyrer geschaffen".

Im Konflikt um eine Unabhängigkeit Kataloniens will Puigdemont nicht aufgeben. In einem Interview mit dem belgischen Fernsehsender RTBF kündigte er gestern an, bei der Regionalwahl am 21. Dezember kandidieren und aus dem Ausland Wahlkampf betreiben zu wollen. "Ich werde zur Justiz gehen, aber zur richtigen Justiz", sagte Puigdemont. In Spanien habe er keine Chance auf "ein gerechtes, unabhängiges Urteil".

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort