Berlin Länder bleiben bei Sammelabschiebung

Berlin · Während SPD und Grüne die Sammelabschiebung von Afghanen auf Bundesebene scharf kritisieren, wollen die Länder weiterhin diese Möglichkeit nutzen. Nur so können sie die Abschiebezahlen deutlich erhöhen.

Die erste Sammelabschiebung ausreisepflichtiger Flüchtlinge nach Afghanistan hat den Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive erneut in den Mittelpunkt gerückt. Worum geht es? Die wichtigsten Antworten:

Können Menschen mit geringer Bleibeperspektive sofort abgeschoben werden?

Nein, das geht nur ganz am Ende eines Verfahrens, in dem das Einzelschicksal intensiv geprüft wird. Gegen den Bescheid kann zudem der Rechtsweg bis hin zum Verfassungsgericht oder zu Europäischen Gerichtshöfen beschritten werden. Auch Menschen aus sicheren Herkunftsländern können individuell schutzbedürftig sein.

Was wird vor einer Abschiebung geprüft?

Zunächst einmal die drei Schutzgründe: Das ist die Anerkennung als Flüchtling, um einer Verfolgung zu entgehen. Zudem die Anerkennung als Asylberechtigter, um vor schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen geschützt zu sein. Wer beides nicht erfüllt, kann subsidiären Schutz erhalten, wenn ihm im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Zudem kann ein einjährig geltendes Abschiebeverbot erteilt werden, wenn in der Heimat eine konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht.

Was steht einer Abschiebung entgegen?

Der Betroffene kann ein ärztliches Attest vorlegen, um die Abschiebung zu verhindern. Geltend gemacht werden kann eine Erkrankung, die den Transport nicht zulässt, oder eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes in der Heimat. Manche Betroffene tauchen unter, wenn der Abschiebetermin naht. Es kommt auch immer wieder vor, dass die Heimatstaaten sich weigern, ihre Bürger zurückzunehmen.

Was ist der Vorteil von Sammelabschiebungen?

Bei Linienflügen ist es wiederholt zu Zwischenfällen gekommen - beispielsweise wenn die Betroffenen im Flieger randalierten. In der Regel untersagt der Pilot dann aus Sicherheitsgründen den Transport der Personen. Eine gecharterte Maschine ermöglicht es hingegen, für jeden der bis zu 50 Abzuschiebenden zwei bis drei Begleitpersonen einzusetzen.

Wird es weitere Abschiebungen nach Afghanistan geben?

Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Kanzleramtsminister Peter Altmaier (beide CDU) bestehen darauf. Dieses Signal verstärke zudem den Druck auf die bevorzugte freiwillige Ausreise, die künftig finanziell attraktiver gestaltet wird. Der Innenminister will ein Abschiebezentrum schaffen, damit Bund und Länder effektiver zusammenarbeiten. Die jetzt beteiligten Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, NRW und Hamburg wollen an ihrer Linie festhalten, machen konkrete Abschiebungen aber von der Prüfung der Einzelfälle abhängig.

Welche Argumente führen SPD und Grüne gegen die Abschiebungen nach Afghanistan an?

Sie kritisieren, dass ausgerechnet in einer Situation, in der das Bundeswehrmandat in Afghanistan verlängert wird und Deutsche sich nur mit Panzerfahrzeugen und Schutzwesten durch das Land bewegen, Flüchtlinge dorthin abgeschoben werden. SPD-Fraktionsvize Eva Högl sagte, die Mehrheit ihrer Fraktion sei gegen Abschiebungen wie in dieser Woche.

Werden vor allem Straftäter abgeschoben?

Darauf lag in der Vergangenheit der Schwerpunkt. Oft ging es von der Haftanstalt direkt zum Flughafen. Der Anteil bei der Sammelabschiebung nach Afghanistan lag bei einem Drittel. Flüchtlinge, die Straftaten begangen haben und zu mindestens einem Jahr Gefängnis verurteilt wurden, können ausgewiesen werden. In diesen Fällen ist es gleichgültig, welchen Status sie als Flüchtling haben. Sie können abgeschoben werden.

Wie konnte es passieren, dass der in Griechenland verurteilte Straftäter in Deutschland nicht auffiel?

Darüber gibt es Streit zwischen deutschen und griechischen Behörden. Hussein K., der in Griechenland eine Frau schwer verletzt hatte und in Freiburg eine Frau vergewaltigt und ermordet haben soll, war nach seiner frühzeitigen Entlassung aus einem griechischen Gefängnis untergetaucht und nur national zur Fahndung ausgeschrieben. Die griechischen Behörden verweisen darauf, den Mann ins Eurodac-System aufgenommen zu haben. Innenminister de Maizière erhebt dennoch Vorwürfe gegen die Griechen. Das Eurodac-System erhält keine Hinweise auf Straftaten. Ob Kanzlerin Merkel gestern bei ihrem Treffen mit ihrem griechischen Amtskollegen über die Streitfrage gesprochen hat, blieb offen. In ihren Statements vor der Presse erwähnten sie den Dissens nicht und ließen auch keine Fragen zu. Zumindest für Merkel ist das ungewöhnlich.

Wie ist das aktuelle Verhältnis zwischen erzwungener und freiwilliger Rückkehr?

In den ersten zehn Monaten sind 21.789 Menschen aus Deutschland abgeschoben worden. Zugleich verließen 51.243 Ausreisepflichtige das Land freiwillig und mit staatlicher Hilfe, davon gingen mehr als 3200 nach Afghanistan.

(RP)
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