Berlin Länder schieben jetzt verstärkt ab

Berlin · Abschreckung heißt die Devise - die neue Linie soll Signale auf den Balkan senden. Viele Asylbewerber gehen auch freiwillig.

Mehrere Bundesländer wollen ab sofort verstärkt mit Abschiebungen auf den Flüchtlingsstrom reagieren. Sie erhoffen sich davon ein abschreckendes Signal nicht nur an Migrationswillige aus dem Balkan, sondern über Europas Grenzen hinaus. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte zudem, Union und SPD hätten sich grundsätzlich auf ein schnelles Abfertigungsverfahren bereits an der Grenze geeinigt.

Wo, wie und wann finden nun verstärkt Abschiebungen statt? Mit konkreten Einzelheiten halten sich die Behörden zurück, damit Betroffene nicht untertauchen. Bund und Länder hatten sich unlängst geeinigt, Betroffene vor der Abschiebung nicht mehr zu informieren. Mehrere Bundesländer, darunter Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Berlin, kündigten an, ab nächster Woche schneller und in größerem Umfang als bisher abzuschieben. Dabei werden sie von Bundespolizisten und der Bundeswehr unterstützt, die für die Transporte Flugzeuge zur Verfügung stellen kann. Schnellere Abschiebungen werden durch die Asylrechtsänderungen möglich, die Bundestag und Bundesrat erst vergangene Woche verabschiedet hatten. Sie treten bereits heute in Kraft und nicht erst am 1. November wie bisher geplant.

Wie viele Menschen könnten abgeschoben werden? Aktuell gibt es laut Bundesregierung etwa 200.000 Menschen, die ausreisen müssen. Darunter sind 130.000 Geduldete. Die Regierung hält es für denkbar, dass im laufenden Jahr insgesamt 100.000 Personen abgeschoben werden. Das allerdings ist ambitioniert: Zwischen Januar und August wurden erst 11.500 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. Die meisten Abschiebungen gab es bisher in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern.

Wie viele Menschen gehen freiwillig? Zwischen Januar und September haben mehr als 22.000 Menschen das Rückkehrförderprogramm angenommen. Dabei übernimmt der deutsche Staat die Reisekosten und unterstützt die Rückkehrer im Heimatland mit einer Starthilfe. Im Durchschnitt kostet das Programm 420 Euro pro Person. In vielen Bundesländern übersteigen die freiwilligen Ausreisen die der Abschiebungen um das Drei- bis Vierfache. Die freiwillige Rückkehr ist attraktiv, weil Betroffene nicht wie Abgeschobene mit einer Wiedereinreisesperre belegt werden.

Was sollen Schnellverfahren an der Grenze bringen? Die Koalition erhofft sich auch davon ein abschreckendes Signal. Allerdings gibt es zwischen Union und SPD trotz einiger Fortschritte in den Verhandlungen weiterhin Gesprächsbedarf, wie dies konkret geschehen soll. Die von der Union geforderten Transitzonen an der Grenze lehnt die SPD weiterhin ab. In den Wartezonen sollten nach Plänen de Maizières Asylbewerber bis zu eine Woche festgehalten werden können, bis ihr Asylantrag überprüft ist. Bewerber ohne Bleibeperspektive sollten sofort zurückgeschickt werden. Auch die SPD ist nun dafür, die Verfahren in Grenznähe zu beschleunigen. "Deswegen werden wir Möglichkeiten regeln, Asylanträge, die offensichtlich aussichtslos sind, im grenznahen Gebiet beschleunigt zu prüfen. Dies kann auch in bereits bestehenden oder im Aufbau befindlichen Einrichtungen geschehen. Es müssen also nicht per se neue Einrichtungen geschaffen werden", hieß es.

Wie wollen Politiker den Ängsten in der Bevölkerung begegnen? Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, ähnlich wie 2008 bei ihrer Sparergarantie eine "Sozialgarantie" für die Bürger auszusprechen. Dies soll Inländern, die etwa Renten oder Sozialleistungen empfangen, in der Flüchtlingskrise die Angst vor Kürzungen nehmen. "Wir brauchen dringend ein Gegengift zur rechten Angstmache. Die Vertrauenskrise muss eingedämmt werden", sagte Ramelow. "Die Kanzlerin sollte mit einer Sozialgarantie Klarheit darüber schaffen, dass die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge keine Kürzung von Renten und Sozialleistungen zur Folge haben wird", sagte der Linken-Politiker. Klare Worte könnten Vertrauen schaffen: "Das ist eine der Erfahrungen aus der Bankenkrise 2008, die wir jetzt beherzigen sollten."

(mar)
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