Hefei Landpartie mit Merkel in China

Hefei · Die Flüchtlingskrise verfolgt die Bundeskanzlerin bis tief in die chinesische Provinz.

Die Straßen vor der Universität in Hefei säumen Massen von Studenten. Sie schwenken schwarz-rot-goldene Fähnchen und halten große rote Transparente, auf denen steht: "Guten Tag, Angela Merkel". Die Studenten jubeln, als die Wagenkolonne der Kanzlerin an der Uni vorfährt. Merkel genießt den euphorischen Empfang, den ihr die Hochschule bereitet, die seit 30 Jahren mit mehr als einem Dutzend Unis in Deutschland kooperiert.

Während in Deutschland ihre große Koalition in der Flüchtlingskrise taumelt, wird Merkel in der chinesischen Provinz wie eine Heldin gefeiert. Sie selbst hatte den Wunsch, bei ihrem achten Besuch in China nicht nur die typischen Großstädte mit ihren vielen Hochhäusern zu sehen, sondern auch einmal die Provinz zu besuchen.

Ministerpräsident Li Keqiang begleitet sie in seine Heimatregion Anhui, deren Hauptstadt Hefei ist. Ausgewählt für den Besuch wurde ein Dorf 30 Kilometer jenseits der Stadtgrenzen - in Deutschland würde man von Naherholungsgebiet sprechen. So bieten die Bauern der Umgebung Erdbeerpflücken und Angeln für die Städter an.

Im Mittelpunkt des Besuchs stehen eine Dorfschule und die Bauernfamilie Shen Zigen, die Zwiebeln und Staudensellerie anbaut. Sicherheitsleute, Neugierige, Berichterstatter und Offizielle von chinesischer Seite nehmen allerdings so viel Raum ein, dass die Betrachtung ursprünglichen Lebens vom Trubel verdrängt wird. Als ein chinesischer Journalist ein Beet betritt, um Merkel besser fotografieren zu können, mahnt ihn die Kanzlerin, das Gemüse nicht zu zertreten.

Ihre innenpolitische Krise und den Ärger mit der CSU versucht sich Merkel im fernen China vom Leib zu halten. Beim Abschluss-Statement reagierte sie auf die Frage, ob sie für die kommenden beiden Tage Kraft getankt habe, mit dem schmallippigen Hinweis, dass sie ihre China-Reise mit Interesse absolviert habe, wie sie auch in Deutschland ihre Arbeit mit Interesse und Nachdruck mache. Für die Kanzlerin war es der Tag des Kontakts mit der Zivilgesellschaft. Am Abend zuvor hatte sie sich in der deutschen Botschaft schon mit Menschenrechtsanwälten, Bloggern und Schriftstellern getroffen.

Seit einigen Jahren beklagen die Vertreter der Zivilgesellschaft in China Rückschritte bei der Meinungsfreiheit. Zugleich explodiert die Zahl der Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). Sie sind die einzigen Organisationen, die sich staatlicher Kontrolle bislang entziehen können. Die Staatsführung, die offensichtlich zu viel Unabhängigkeit in der Gesellschaft fürchtet, plant nun ein Gesetz, das NGOs einen engen Rahmen gibt. Im Prinzip kann der Staat damit jeden ihrer Schritte überwachen.

Die Deutschen sehen das Gesetz mit Sorge: Nach ihrem Treffen mit Ministerpräsident Li Keqiang hatte die Kanzlerin ausdrücklich davor gewarnt, die Arbeit der NGOs einzuschränken. Selbst in der Staatspartei, die 87 Millionen Mitglieder hat, gibt es Skepsis: Wenn auch ausländische Stiftungen und Wissenschaftsgesellschaften sich künftig jeden Schritt staatlich genehmigen lassen müssen, könnte dies Innovationen im Land einschränken. So wurde gestern ein Abkommen zwischen dem Fraunhofer-Institut IPK Berlin und der Stadt Jieyang für ein gemeinsames Institut für Technologietransfer unterzeichnet. Solche Kooperationen könnten schwieriger werden.

(qua)
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