Washington Links gegen ganz links

Washington · Hillary Clinton und Bernie Sanders liefern sich ein knappes Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Der Ton wird rauer.

Washington: Links gegen ganz links
Foto: DPA, Weber

Da versucht es ein Liliput mit der Schwester von Gulliver aufzunehmen. So stichelten amerikanische Kommentatoren noch vor Monaten, wenn es um Bernie Sanders ging. Chancenlos sei der Senator aus dem Neuengland-Staat Vermont gegen Hillary Clinton, sagten sie. Mittlerweile ist vielen der Spott vergangen. Denn Sanders hat gute Chancen, nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen beim Vorwahlauftakt in Iowa die "Primary" in New Hampshire zu gewinnen und die Favoritin im Wettstreit um die Kandidatur der Demokraten damit in Zugzwang zu bringen. Je härter das Duell, desto schärfer der Ton: Hatten beide persönliche Angriffe bisher weitgehend vermieden, so bliesen sie in der Nacht zu gestern, während einer Fernsehdebatte, zur Attacke. Die Demokraten stehen schon deutlich links von den Republikanern - aber Clinton wird durch Sanders nochmals von links angegriffen.

Nach Sanders' Skizze ist sie eine Größe des Establishments, die zum einen die Sorgen der kleinen Leute nicht mehr verstehe, und zum anderen zu eng verbandelt sei mit den Geldjongleuren der Wall Street. 2013 ließ sich die frühere Außenministerin drei Auftritte bei der Investmentbank Goldman Sachs mit insgesamt 675.000 Dollar bezahlen. Kaum ausgeschieden aus dem State Department, verdiente sie damals Millionen, indem sie fürstlich honorierte Reden hielt, vor Autohändlern, an Colleges und eben auch im New Yorker Finanzbezirk.

Heute ist es ihre Achillesferse, gerade im Streit mit einem Rivalen wie Sanders, der stolz betont, dass er seinen Wahlkampf vornehmlich aus Kleinspenden finanziert - statistisch gesehen 27 Dollar pro Spender. Eine Graswurzelbewegung gegen Hillarys Wall-Street-Seilschaften, ließe sich der Tenor seiner Offensive kurz zusammenfassen.

"Ich denke, es ist an der Zeit, dass Sie diese hinterlistige Schmierenkampagne beenden", verwahrte sich nun die Noch-Favoritin gegen den Vorwurf, sie lese der Finanzindustrie jeden Wunsch von den Lippen ab. Mit keinem Beispiel lasse sich belegen, dass sie aufgrund einer Spende ihre Meinung geändert habe. Darauf Sanders: "Dann lassen Sie uns mal darüber reden, warum in den 90er Jahren die Finanzbranche dereguliert worden ist. Hat das gar nichts zu tun mit der Tatsache, dass die Wall Street Milliarden für Lobbyisten und Wahlkampfzuwendungen ausgab?"

Damals residierte Bill Clinton im Weißen Haus, sein Finanzminister Robert Rubin war von Goldman Sachs gekommen, 1999 kassierte der Kongress den Glass-Steagall Act, jenes 1933 im Zuge von Börsencrash und Großer Depression beschlossene Gesetz, das eine Trennung des traditionellen Bankgeschäfts vom riskanteren Investment-Banking vorschrieb. Unter einer Präsidentin Clinton, gibt Sanders zu verstehen, könnte sich das Kapitel wiederholen, könnten die Lehren der Finanzkrise bald vergessen sein.

Unter Präsident Sanders, suggeriert wiederum die Ex-Ministerin, würden nur Luftschlösser gebaut. Der 74-Jährige fordert eine "politische Revolution", was in der Praxis wohl eher darauf hinausläuft, sich an den Sozialprogrammen von Franklin D. Roosevelts "New Deal" und Konzepten der europäischen Sozialdemokratie zu orientieren. Er will die Ausbildung an staatlichen Universitäten kostenlos machen und ein Gesundheitssystem ohne private Krankenversicherungen einführen, das ausnahmslos alle abdeckt. Die Mehrausgaben soll der Fiskus aus höheren Steuereinnahmen bestreiten, allem voran eine Transaktionssteuer an der Wall Street. Ein solches Programm sei nur ein schöner Traum, warnt ihrerseits Clinton, die reale Welt würde daraus gnadenlos gründlich Makulatur machen. In einem Parlament, aus dem man sich die Republikaner ja nicht wegwünschen könne, würde Sanders' Blaupause zwangsläufig scheitern. Sie dagegen: kleine Schritte, zäher Fortschritt. Der Clinton'sche Slogan dazu lautet: "Eine Progressive, die Dinge erledigt kriegt".

(RP)
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