Loveparade: die Aufgaben der Polizei

Bei einem Treffen im Vorfeld der Loveparade spielten Vertreter von Feuerwehr, Polizei, Stadt Duisburg und des Veranstalters verschiedene Szenarien durch. Demnach hätte die Polizei mehr Verantwortung übernehmen müssen.

Die Verantwortlichkeit der Polizei bei der Loveparade-Katastrophe reichte offenbar viel weiter, als Innenminister Ralf Jäger (SPD) und Polizeiinspektor Dieter Wehe vor dem Innenausschuss des Landtags dargestellt haben. Jäger und Wehe hatten erklärt, die Aufgabe der Polizei habe sich auf die möglichst reibungslose An- und Abreise der Besucher sowie die Verhinderung von Straftaten beschränkt. Doch das widerspricht den Vereinbarungen, die die Polizei mit Stadt und Veranstaltern tatsächlich traf.

Am 8. Juli treffen sich Vertreter von Berufsfeuerwehr, Polizei, Stadt Duisburg, Bundespolizeidirektion Sankt Augustin und des Veranstalters "Lopavent" zu einem Workshop. In dem Besprechungsraum auf der ersten Etage der Duisburger Feuerwache ist die Luft stickig, draußen zeigt das Thermometer schon am Vormittag mehr als 30 Grad. Keine Klimaanlage, kein Ventilator. Fünf Stunden lang spielen die Teilnehmer insgesamt 14 Katastrophen-Szenarien durch, die sich bei der Loveparade ereignen könnten. Schlechtes Wetter ist darunter, Bombendrohungen oder die Suizidankündigung einer vermissten Person bis zur Ausformulierung des Abschiedsbriefs ("Aber vergiss nie, dass ich dich immer geliebt habe"). Bei elf dieser Szenarien ist die Polizei verantwortlich, so auch beim Szenario "Zulauf Strecke".

Die Beschreibung gleicht gespenstisch dem tatsächlichen Weg in die Katastrophe: "Am Veranstaltungstag der Loveparade herrscht sonniges und trockenes Wetter vor. Das Gelände wird stark frequentiert und um 18 Uhr wegen Füllung (zunächst) für weitere Besucher geschlossen. Es gibt bereits starkes Gedränge unter den Besuchern auf den Zuwegungen und der Druck auf die Einlassstellen erhöht sich. Diese drohen nicht mehr gehalten werden zu können. Im weiteren Verlauf droht die Wegführung Ost/die Wegführung West sich zu stark zu füllen."

Bei Kaffee und Wasser – auf Kekse und Brötchen wurde verzichtet – wird die Verantwortung der Polizei für diesen Fall protokolliert: Die Polizei wird gegebenenfalls den Veranstalter an den Einlassstellen unterstützen. Die Polizei wird Vorsperren auf den Wegen einrichten. Die Polizei wird die Besucher durch Lautsprecher-Einsatz informieren. Die Polizei wird dafür sorgen, dass entlang der Wege Sperren geöffnet werden, um die Besucher in angrenzende Straßen zu führen. Und die Polizei ist für den Fall, dass das Gelände gesperrt werden muss, dafür verantwortlich, dem Veranstalter am Einlass unter die Arme zu greifen.

Im Innenausschuss beklagte Minister Jäger, es sei "schäbig", erst die Polizei um Hilfe zu rufen, weil die Veranstaltung aus dem Ruder laufe und "ihr dann auch noch den Schwarzen Peter" zuzuschieben. Dabei verschwieg Jäger, dass genau diese Hilfestellung als Verantwortung der Polizei fest vereinbart worden war. Ebenfalls war vereinbart, dass die Polizei auf dem Veranstaltungsgelände, für das Jäger und Wehe jede Zuständigkeit verneinen, bei dichtem Gedränge den Veranstalter an den Einlassstellen unterstützt. Am Tag der Loveparade rief der Veranstalter die Polizei um 15.30 Uhr – wie verabredet – zum ersten Mal um Hilfe. Bis der erste Tote um 17.02 Uhr gemeldet wurde, waren noch anderthalb Stunden Zeit. Nach den bisherigen Erkenntnissen hat die Hilfestellung in Verantwortung der Polizei nicht funktioniert. Über die Vereinbarungen hinaus, die unter allen Beteiligten am 8. Juli getroffen wurden, soll es zwischen dem Veranstalter und der Polizei weitere Absprachen gegeben haben. An diesen Absprachen waren Vertreter der Stadt nicht beteiligt, über die Inhalte wurden sie nicht informiert.

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