Duisburg/Düsseldorf Loveparade: Empörung über Justiz

Duisburg/Düsseldorf · Das Landgericht Duisburg lehnt die Eröffnung eines Strafprozesses gegen zehn Beschuldigte ab - die Beweislage sei zu vage. Die Entrüstung ist groß. Auch die Ministerpräsidentin äußert Unverständnis.

Kein Strafprozess nach Loveparade-Unglück: Bilder von der Pressekonferenz
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Kein Strafprozess nach Loveparade-Unglück: Pressekonferenz in Duisburg

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Foto: dpa, skm htf

Die Katastrophe auf der Duisburger Loveparade wird wahrscheinlich nie strafrechtlich aufgearbeitet werden. Das Duisburger Landgericht lehnte gestern die Eröffnung eines Strafprozesses ab. "Das zentrale Beweismittel der Anklage weist gravierende inhaltliche und methodische Mängel auf", erklärte Landgerichtspräsident Ulf-Thomas Bender. Das Gericht habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht: "Aber die Vorwürfe der Anklage können mit den vorgelegten Beweismitteln nicht bewiesen werden." Eine Verurteilung der zehn Beschuldigten sei daher nicht zu erwarten gewesen.

Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Anklage vor allem auf einem Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still aufgebaut. Demnach haben ausschließlich Planungs- und Genehmigungsfehler die Katastrophe verursacht. Diese These könne das Gutachten aber nicht im Geringsten belegen, entschied die Fünfte Große Strafkammer unter Vorsitz von Joachim Schwartz.

Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 war es an einer Engstelle im Zugangsbereich zu einer tödlichen Massenpanik gekommen. 21 Menschen starben, fast 700 wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Viele von ihnen sind bis heute traumatisiert. Die Staatsanwaltschaft klagte deswegen Duisburgs Stadtentwicklungsdezernenten Jürgen Dressler sowie fünf Mitarbeiter des städtischen Bauamts und vier Verantwortliche des Veranstalters Lopavent wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung an.

Für die Betroffenen sei die gestrige Gerichtsentscheidung "wie eine Keule", sagte der Ombudsmann für die Opfer des Technofestivals, Pastor Jürgen Widera, unserer Redaktion. Er finde es "sehr eigenartig", dass die Richter mehr als zwei Jahre benötigt hätten, um festzustellen, dass die Anklage nicht ausreiche.

"Wir sind fassungslos", sagte auch Jörn Teich, Sprecher der Opfer-Initiative "Lopa 2010". Er selbst war bei dem Unglück schwer verletzt worden. "So geht das Vertrauen in den Rechtsstaat, in die Politik und in die Polizei endgültig verloren", sagte er. Eine Mutter, die ihre Tochter verloren hat, will nun psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen: "Ich bin völlig fertig. Zu erfahren, dass niemand für den Tod meiner Tochter verantwortlich sein soll, ist mit Worten nicht zu beschreiben."

Hannelore Kraft (SPD) kann die Wut der Angehörigen verstehen. Sie stehe vielen von ihnen zum Teil sehr nahe, sagte sie. Als Ministerpräsidentin achte sie die Unabhängigkeit der Justiz. Als Mensch falle es ihr aber "außerordentlich schwer, den Beschluss zu begreifen". Die Angehörigen der Opfer hätten erwartet, dass alles lückenlos aufgeklärt werde. Doch dies scheine jetzt in weite Ferne zu rücken.

Die Staatsanwaltschaft kündigte Beschwerde beim Oberlandesgericht an. Der Beschluss des Landgerichts sei "nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft". Opferanwalt Julius Reiter, der rund 100 Betroffene vertritt, sagte: "Es ist ein Justizskandal und eine Bankrotterklärung, dass nach mehr als fünfeinhalb Jahren Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft die Anklage nicht zugelassen und das Hauptverfahren nicht eröffnet wird."

(RP)
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