Machtkampf in NRW In der SPD wächst der Unmut

Düsseldorf · Nach der Wahlniederlage streiten die Genossen, wer Oppositionsführer werden soll. Fraktionschef Norbert Römer will noch im Amt bleiben. Das kommt in Teilen der Partei und an der Basis gar nicht gut an.

 Norbert Römer (Archiv).

Norbert Römer (Archiv).

Foto: Andreas Endermann

Der Raum im obersten Stockwerk der SPD-Parteizentrale in Düsseldorf hat etwas von einer Studentenbude. Es gibt einen großen Tisch, eine Küchenbar mit hohen Hockern und viele Dachschrägen. Eigentlich ein passender Rahmen für einen Neustart. Tatsächlich konnten sich die Genossen hier fünf Tage nach dem Rücktritt von Hannelore Kraft auf einen neuen Parteichef einigen: Michael Groschek, 60, bisher Verkehrsminister. Einstimmig sei die Entscheidung im Vorstand gefallen, verkündete Noch-Fraktionschef Norbert Römer am vergangenen Freitag.

Doch ganz so einmütig geht es hinter den Kulissen zurzeit dann doch nicht zu. In der NRW-SPD streiten sie heftig, wer künftig die Fraktion im Landtag anführen soll. Auf der einen Seite stehen die Anhänger von Noch-Justizminister Thomas Kutschaty. Auf der anderen Seite steht Fraktionschef Römer. Der 70-Jährige will dem Vernehmen nach für eine Übergangszeit im Amt bleiben.

Unmut an der Basis

Das kommt nicht überall gut an: "Die Fraktionsspitze wird neu besetzt werden müssen", sagte etwa der Bochumer Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel dem Sender Sat.1 NRW. Ein Kollege, der nicht genannt werden will, sagte mit Blick auf Groschek, Kutschaty und Noch-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze, die neue NRW-Generalsekretärin werden soll: "Drei Ex-Minister in verantwortlichen Positionen wären zu viel." In Berlin genießt zwar Groschek starken Rückhalt, bei Römer jedoch gehen die Meinungen auseinander.

Auch an der Basis machen sie aus ihrem Unmut keinen Hehl. Krefelds SPD-Oberbürgermeister Frank Meyer schrieb auf Facebook über Groschek und Schulze: "Der Neuanfang der NRW-SPD soll also mit zwei bisherigen Kabinettsmitgliedern gewagt werden. Hm, darüber muss ich noch mal nachdenken." Auch Daniel Rinkert, SPD-Vorsitzender im Rhein-Kreis Neuss und Bundestagskandidat, ist wenig begeistert vom designierten Parteichef: "Ob er der Richtige für einen Neuanfang ist, bleibt abzuwarten. Wir haben viele gute Leute — auch junge." Der 29-Jährige hätte es lieber gesehen, wenn seine Partei zunächst die Wahlniederlage genau analysiert und dann in Ruhe bis zum Sommer die nötigen Personalentscheidungen getroffen hätte.

"Ich bin fassungslos"

Ähnlich kritisch äußerte sich der Dormagener SPD-Bürgermeister Erik Lierenfeld. Er kommentierte auf Facebook Tempo und Art der Kandidatenkür mit: "Nichts für mich! Was ist bloß los, meine SPD? Was soll die Panik?!?" Es gehe ihm nicht um Michael Groschek oder Svenja Schulze. Die NRW-SPD habe aber die größte Pleite ihrer Geschichte eingefahren und schonungsloses Aufarbeiten angekündigt, so Lierenfeld: "Fünf (!) Tage später wird aber schon vorgestellt, wer die neue Hoffnung für den Neuanfang sein soll... Das ist sooo unglaubwürdig. Ich bin wirklich fassungslos... und das bin ich nicht schnell."

Eine Vorentscheidung im Rennen um den Oppositionsführer und zugleich Gegenspieler von CDU-Chef Armin Laschet wird voraussichtlich am Dienstag fallen. Die Fraktion soll dem Vernehmen nach einer Empfehlung des Parteivorstandes folgen und über eine Änderung der Geschäftsordnung abstimmen, damit die Amtszeit des Fraktionschefs auf ein Jahr verkürzt werden kann. Die restliche Wahlperiode soll in zweimal zwei Jahre aufgeteilt werden. Die Einladung zur Fraktionssitzung, die unserer Redaktion vorliegt, enthält dazu allerdings nur den belanglos daherkommenden Tagesordnungspunkt zwei: "Weitere Schritte zur Konstituierung der Fraktion".

Damit läuft es darauf hinaus, dass Römer für ein Jahr im Amt bleibt und den Posten erst später weiterreicht, etwa an seinen Wunschkandidaten Marc Herter. Der 42-Jährige ist Parteivize in NRW und parlamentarischer Geschäftsführer. In Römers Umfeld sehen sie darin eine Lösung, die so kurz vor der Bundestagswahl Kontinuität sichert.

Die Sache war zwischenzeitlich so eskaliert, dass es ein klärendes Gespräch zwischen Römer und Kutschaty brauchte, um den Streit gestern beizulegen. Dies scheint gelungen: Mit der Wahl des neuen Fraktionschefs wird nun am kommenden Dienstag gerechnet.

(kib, jd)
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