Protest der Liberalen Frauen "Männerverein" FDP

Berlin · Bei den liberalen Frauen ist die Wut groß. Die Bundesvorsitzende Doris Buchholz schimpft über Chauvinismus. Ihre Stellvertreterin ist aus Protest aus der Partei ausgetreten.

Bei den Liberalen gehen die Frauen auf die Barrikaden. Die Frauenorganisation der Partei wirft den Männern in den eigenen Reihen chauvinistisches Verhalten vor. "Ich habe schon erlebt, dass man mir gesagt hat, man möchte gut aussehende Frauen auf Wahlplakaten — nach dem Motto: Sex sells", sagte die Chefin der Liberalen Frauen, Doris Buchholz, der "Frankfurter Rundschau". Die FDP sei ein "Männerverein", empörte sich die Liberale. "Sie haben in der FDP unheimlich Gegenwind, wenn Sie zu den Liberalen Frauen zählen."

Die bislang zweite Vorsitzende der Liberalen Frauen, Susanne Pöpel, zog daraus jetzt die Konsequenzen, legte alle Parteiämter nieder und trat aus der FDP aus.

Die Niederlage beim Bundesparteitag zur Frauenquote hatte bei den organisierten FDP-Frauen großen Ärger ausgelöst. Eine Quote sei von der Männerriege der FDP-Oberen torpediert worden, argwöhnen die Frauen.

Parteisprecher Wulf Oehme räumt ein, nur 23 Prozent der Mitglieder seien weiblich. "Offensichtlich ist die FDP für Frauen einfach nicht attraktiv." Die Versuche, mit einem Frauenpreis für aufrechte Bürgerinnen und einem Frauen-Mentoring-Programm mehr Weiblichkeit in die Partei zu bringen, sind fehlgeschlagen. Offenbar sprächen auch die Kernthemen der sozialen Marktwirtschaft Frauen in geringerem Maße an, meint der Parteisprecher. Den Vorwurf, die Männer in der Partei hätten die Quote verhindert, weist er allerdings zurück. Auch viele Frauen hätten eine Quotenregelung abgelehnt, betont er. "Die Mehrheit der FDP-Frauen ist gegen eine Quote", bestätigt auch Gesundheitsstaatsekretärin Ulrike Flach.

Bis Anfang vergangenen Jahres galt die Europa-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin als liberale Vorzeigefrau. Im Europa-Wahlkampf 2009 plakatierten die Liberalen fast ausschließlich das Konterfei der großen Blonden mit dem strahlenden Lächeln. Damals war die FDP-Welt noch in Ordnung. In Umfragen lagen die Liberalen stabil im zweistelligen Bereich, beim Wahlvolk gab es eine gewisse Ermüdung gegenüber der recht sozialdemokratischen Politik der großen Koalition und die FDP hoffte, durch den Silvana-Effekt endlich auch Frauen an die Wahlurnen zu locken.

Auf inhaltliche Botschaften verzichtete Koch-Mehrin damals. Als Beleg dafür, dass die Spitzenkandidaten fürs Europa-Parlament nicht nur gut aussieht, sondern auch etwas auf dem Kasten hat, erschien unter dem strahlenden Äußeren ihr Doktortitel augenfällig auf den Plakaten. Den Doktortitel darf Koch-Mehrin nicht mehr führen, seitdem Plagiatsjäger im Internet nachgewiesen haben, dass Koch-Mehrin Teile ihrer Doktorarbeit abgeschrieben hat. Bis auf ihr Abgeordneten-Mandat musste sie alle Ämter niederlegen. Damit fällt sie als weibliches Aushängeschild für die Partei künftig aus.

Mit dem Effekt "weiblich, selbstbewusst, gut aussehend" gelang auch Katja Suding in Hamburg ein Überraschungserfolg. Die Sympathieträgerin von der Alster, die im Friesennerz für sich und ihre Partei warb und damit kokettierte, dass sie keine Berufspolitikerin sei, ist für den einzigen bescheidenen Wahlerfolg der FDP im vergangenen Jahr verantwortlich. 6,7 Prozent fuhr sie ein und führt nun die FDP-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft.

Ein wenig aus der Reihe fällt das Wahlplakat mit Cindy Henze aus dem sächsischen Wahlkampf von 2009. In enger, blau-gelber Trikot-Jacke, mit Victory-Zeichen und Löwenmähne warb die Blondine für die FDP. In diesem Fall ist der Vorwurf, die FDP wähle die weiblichen Gesichter für ihre Plakate nach der Optik aus, nicht von der Hand zu weisen. Cindy Henze war nicht für den Landtag aufgestellt, sondern arbeitet als Chefsekretärin der Fraktion. Als "Sachsenmädel" erlangte sie regionale Prominenz. Die Plakate waren landesweit gefragt und verdrängten wiederum die bieder aussehenden männlichen Kandidaten.

Die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete und Vize-Fraktionschefin Gisela Piltz weist dennoch jeden Chauvi-Verdacht in Sachen Wahlplakaten von den Liberalen. "In meinem Kreisverband sucht sich jeder sein Wahlplakat selbst aus", sagt sie. Die Klagen der Liberalen Frauen nennt sie eine "Einzelmeinung". Sie persönlich habe keinen Chauvinismus bei der FDP erfahren.

Die Frauen, die bei den Liberalen eine machtvolle Position erreicht haben, sind keineswegs dadurch aufgefallen, dass sie viel lächeln und dabei hübsch aussehen. Im Gegenteil: Die frühere Fraktionschefin und heutige Partei-Vize-Chefin Birgit Homburger war für ihre hemdsärmelige Art berüchtigt. Allerdings wurde sie von der jungen männlichen Garde der FDP durch einen Mann ersetzt: Rainer Brüderle, der wiederum gerne deftige Sprüche klopft. Justizministerin und Partei-Vizechefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gilt ebenfalls als durchsetzungsstarke Liberale. Sie hat sich nach dem Rücktritt als Justizministerin unter Helmut Kohl als gewiefte Strippenzieherin zurück an die Macht gekämpft.

Staatssekretärin Ulrike Flach sieht die Frauenfrage in ihrer Partei nüchtern: "Auch Frauen müssen ihre Ellenbogen rausfahren können." Chauvitum in ihrer Partei hält sie für ein Phänomen in einzelnen Landesverbände. Parteichef Philipp Rösler nimmt sie in dieser Frage in Schutz. Er habe sich intensiv bemüht, Frauen ins Parteipräsidium zu ziehen. Die Frauenförderung sei in seiner Amtszeit besser als unter dem früheren Vorsitzenden Guido Westerwelle.

(RP/rai)
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