Persönlich Mario Draghi . . . will Freund der Deutschen werden

Strenge und Ordnung sind die Eckpfeiler im Leben von Mario Draghi (69). Im Herzen ist der in Rom geborene Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) ein Preuße. Doch die Deutschen vergelten ihm diese Eigenschaften nicht. Für sie bleibt er der windige Italiener, der alles tut, um auf Kosten der nordischen Sparer den finanzpolitischen Schlendrian im Süden Europas zu alimentieren. Das schmerzt den zurzeit mächtigsten Mann Europas. Er fühlt sich mit seiner geldpolitischen Mission missverstanden, die ganz auf Nullzinsen und gigantische Geldvermehrung setzt, um ein Abgleiten der Wirtschaft in die Depression zu verhindern. Dabei möchte er gerade von den stabilitätsversessenen Deutschen nicht nur geachtet, sondern auch geliebt werden.

Seine Kommunikationsberater haben Draghi deshalb verordnet, seine Politik den Deutschen besser zu erklären. Jetzt macht er wieder einen Versuch, diesmal vor den Finanzexperten des Deutschen Bundestags, die er am kommenden Mittwoch in Berlin besuchen will.

Ob es hilft, ist fraglich. Draghi ist ohne Zweifel einer der scharfsinnigsten Notenbanker der Welt. Am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA, das schon viele Wirtschafts-Nobelpreisträger hervorgebracht hat, erhielt er seinen letzten akademischen Schliff. Er war im italienischen Schatzamt tätig, arbeitete für die US-Investmentbank Goldman Sachs. Und so zelebriert der Jesuitenzögling auch seine Geldpolitik - kühl rational, datenbasiert, mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks.

Vielleicht misstrauen ihm die Deutschen gerade wegen seiner überragenden Intellektualität. Denn im Grunde ist die deutsche Wirtschaftspolitik schlichter angelegt - Sparsamkeit, Fleiß und Tüchtigkeit gelten dort als Fundamente des wirtschaftlichen Erfolgs. Tugenden, die Draghi achtet, aber nicht für allein selig machend hält. Die Distanz dürfte bleiben, und auch die Kritik.

(RP)
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