Skopje Mazedoniens Katz- und Maus-Spiel mit Flüchtlingen

Skopje · Es ist ein Katz- und Maus-Spiel, das die Regierung in Skopje mit den Flüchtlingen aus den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen Ostens, Asiens und Afrikas treibt, die seit Monaten an die nordgriechische Grenze kommen. Wochenlang ließ man sie einfach passieren, stattete sie mit einem Drei-Tage-Visum aus, damit sie das Land so schnell wie möglich mit dem Zug wieder Richtung Serbien verlassen konnten.

Am vergangenen Donnerstag erklärte die Regierung plötzlich den Ausnahmezustand, schloss die Grenze und ließ Soldaten und Polizisten aufmarschieren. Doch die Flüchtlinge, die Kriegen und Elend entkommen sind und tausende Kilometer unter lebensgefährlichen Umständen bis nach Europa hinter sich haben, ließen sich nicht aufhalten: Rund 2000 stürmten mitsamt Kindern am Samstag los und überrannten den Stacheldrahtkordon. Soldaten und Polizisten knüppelten auf sie ein und warfen Blendgranaten, mitten im Getümmel waren auch viele Frauen und Kinder, denen Schrecken und Entsetzen im Gesicht stand. Es gab Dutzende Verletzte. Am Ende mussten die Ordnungskräfte kapitulieren, die Flüchtlinge schafften den Durchbruch auf die mazedonische Seite.

Gestern wurde die Grenze nun wieder geöffnet. Es war wie zuvor, die Flüchtlinge trauten ihren Augen und Ohren nicht: "Alles wirkte wieder sehr friedlich, Polizisten begrüßten uns mit: Willkommen in Mazedonien!", erzählt der Syrer Abdullah Bilal der Agentur Reuters. Laut Polizeiangaben stellten die mazedonischen Behörden 5000 Flüchtlingen Papiere aus und schickten sie weiter zum Grenzbahnhof Gevgelija, wo Züge nach Belgrad auf sie warteten. Diesmal hatte die ohnehin armselige mazedonische Bahn Züge aus dem ganzen Land zusammengezogen, damit es nicht wieder zu lebensgefährlichen Keilereien kommt wie in den Tagen zuvor. Auch Busse wurden zur Verfügung gestellt, mit denen ein Teil der Flüchtlinge bis wenigstens an die serbische Grenze kam. Serbien erwarte weitere 5000 Flüchtlinge "in den nächsten zwei, drei Tagen", sagte der serbische Verteidigungsminister Bratislav Gasic.

Am gestrigen Nachmittag hieß es von mazedonischer Seite, die Grenze werde wieder geschlossen, bis der von Hunderten Flüchtlingen belagerte Bahnhof in Gevgelija wieder entlastet sei. Man wolle jetzt einen Korridor errichten, um sie nach Feststellung der Personalien kontrolliert über die Grenze zu schleusen.

Auf den ersten Blick ist es ein übles taktisches Spiel, das die mazedonische Regierung auf dem Rücken der Flüchtlinge austrägt. Bei näherem Hinsehen aber blieb ihr kaum eine Wahl, als mit dem Ausnahmezustand die Notbremse zu ziehen und Gewaltszenen in Kauf zu nehmen, um die EU-Staaten aufzurütteln. Spätestens seit dem Wochenende ist klar, dass das kleine Balkanland unmöglich alleine mit dem permanenten Flüchtlingsstrom aus Griechenland fertig werden kann. Zudem liegt Mazedonien an neuralgischer Stelle auf der Balkanroute zwischen der Türkei und der Wohlstandshochburg EU, die für die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge das ersehnte Ziel ist. Seit Januar sind es 170 000.

Viele Länder sagen, die EU ist gefordert, schneller und entschiedener zu handeln als bisher. Denn die Gewaltszenen vom Wochenende auf dem Südbalkan dürften nur ein Vorspiel dessen sein, was sich demnächst an der serbisch-ungarischen Grenze abspielen wird, wenn sich in den nächsten Stunden und Tagen der Flüchtlingsstrom an der serbisch-ungarischen Grenze wieder zu stauen beginnt.

(RP)
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