Koalitionsverhandlungen in Baden-Württemberg Mehr Schwarz als Grün im Südwesten

Berlin · Die CDU hat in den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen in Baden-Württemberg mehr erreicht, als sie zu hoffen gewagt hatte.

 Der designierte Vize-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Thomas Strobl.

Der designierte Vize-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Thomas Strobl.

Foto: dpa, frk lof

Thomas Strobl, der designierte Vize-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, war geradezu angetan von der Kompromissbereitschaft der Grünen in der Verhandlungsgruppe zur inneren Sicherheit. "Wenn ich mir anschaue, was wir mit den Grünen in puncto Vorratsdatenspeicherung, bei Online-Durchsuchungen und anderen Präventivmaßnahmen in der Arbeitsgruppe vereinbart haben, dann ist das mehr als respektabel", sagte der CDU-Politiker in dieser Woche. Mit der FDP wäre das undenkbar gewesen, fügte er hinzu.

Dem stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Strobl war während der vierwöchigen Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sehr daran gelegen, die Handschrift der Union im neuen Koalitionsvertrag sichtbar zu machen. Grün-Schwarz sollte unbedingt anders aussehen als Grün-Rot, das Baden-Württemberg die letzten fünf Jahre regiert hatte. Zum Ende der Verhandlungen sieht Strobl sein Ziel jetzt erreicht: Nicht nur in der Innen-, auch in der Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik konnte die Union wichtige eigene Akzente setzen. Gemischt fällt ihre Erfolgsbilanz allein in der Schul- und Gesellschaftspolitik aus. Denn die in der Union verhassten Gemeinschaftsschulen sollen nun noch vermehrt und teils aufgewertet werden. Dafür dürfen Schulen zwischen dem acht- und dem neunjährigen Gymnasium wählen, ein klarer Punkt für die CDU. Ein Burka-Verbot konnte die CDU hingegen nicht durchsetzen, doch ließ sich das verschmerzen.

Strobl, der voraussichtlich ein um Integrationsaufgaben aufgewertetes Innenministerium in Stuttgart übernimmt, konnte auch deutlich mehr Polizeistellen erreichen. Bis 2021 will die neue grün-schwarze Regierung 1500 zusätzliche Stellen bei der Polizei schaffen. Daraus folgt, dass der öffentliche Dienst einen größeren Sparbeitrag wird leisten müssen. Planstellen an anderer Stelle sollen gestrichen, der Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst nur teilweise auf die Landesbeamten übertragen werden.

500 Millionen Euro mehr will die neue Landesregierung zudem bis 2021 in Straßen, Schienennetz, Hochbau und Hochschulen investieren. Die Grünen setzten in den Verhandlungen mehr auf den Erhalt als den Neubau von Straßen und auf mehr Radwegen, doch ein klassisches Gewinnerthema sind mehr Verkehrsinvestitionen für die Öko-Partei nicht. Auch das könnte der CDU nutzen. Nicht durchsetzen konnte die Union allerdings, dass Baden-Württemberg mehr Geld als geplant in das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 steckt. Die CDU wollte den Kostendeckel des Landes aufweichen, weil längst absehbar ist, dass Stuttgart 21 mindestens zwei Milliarden Euro mehr als die 2009 veranschlagten 4,5 Milliarden kosten wird. Doch das lehnten die Grünen ab, die Finanzierungsprobleme wollen sie aussitzen. Nun steht im Koalitionsvertrag eine Kompromissformel: "Das Land hält am Ziel fest, dass über die im Vertrag genannten Kostenanteile in Höhe von 930,6 Millionen Euro hinaus vonseiten des Landes keine Zahlungen zu leisten sind."

Mehr Geld für Stuttgart 21 ist auch nicht drin, weil es um die Haushaltslage nicht gut bestellt ist. Ein Kassensturz hatte allseits für Ernüchterung gesorgt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Strobl vereinbarten jährliche Einsparungen von 1,8 Milliarden Euro, um die Schuldenbremse ab 2020 einhalten zu können. Voraussetzung dafür ist, dass die Flüchtlingszahlen nicht wieder steigen. Die Schuldenbremse soll nun auch in der Landesverfassung verankert werden.

Einer, der die Wahl eigentlich verloren hatte, dürfte dennoch als Gewinner aus den Verhandlungen hervorgehen: CDU-Spitzenkandidat und Fraktionschef Guido Wolf wird wohl Finanz-, Wirtschafts- oder Justizminister. Nach dem 13. März galt der Mann noch als politisch tot.

(mar)
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