Armin Laschet (cdu) "Mein Platz ist in Nordrhein-Westfalen"

Der Herausforderer von Hannelore Kraft über die Wirtschaftspläne seiner Partei, das Dauerthema Turbo-Abi und Fairness im Wahlkampf.

Düsseldorf Einen Tag vor dem CDU-Bundesparteitag in Essen gibt NRW-CDU-Chef Armin Laschet erste Details seiner Wahlkampfstrategie für die Landtagswahl preis. Er will externe Persönlichkeiten für sein Schattenkabinett finden, bei einem Wahlsieg rot-grüne Gesetze rückabwickeln und auch dann eine Regierung bilden, wenn seine Partei nur zweitstärkste Kraft wird.

Wenn Rot-Grün so schlecht ist, wie Sie sagen: Warum profitieren Sie nicht davon in Umfragewerten?

Laschet Wir liegen in den Umfragen fünf bis sechs Prozent besser als bei der letzten Wahl und stehen heute Kopf an Kopf mit der SPD, die sechs bis sieben Prozent verloren hat. Rot-Grün hat seit zwei Jahren keine Mehrheit mehr.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist beliebter als Sie.

Laschet Jeder Amtsinhaber ist bekannter. Dieser Bekanntheitsgrad kommt aber nicht der SPD zugute.

Selbst von den CDU-Wählern stehen nur 40 Prozent hinter Ihnen ...

Laschet 2009 lag CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bei SPD-Anhängern weit vor Frau Kraft. Das hat aber nicht die Wahl entschieden. Die Wahl wird über Themen entschieden.

Welche Themen?

Laschet NRW ist Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum, der Unterrichtsausfall und das Inklusionschaos regen immer mehr Menschen auf, und die Tatenlosigkeit gegen Einbruchskriminalität, No-go-Areas und steigende Salafistenzahl ist eine Zumutung.

Warum ist die Landesregierung schuld an der Wirtschaftsflaute in NRW?

Laschet Bundesweit wächst die Wirtschaft, nur NRW fällt zurück, da hier keine Impulse gesetzt, sondern stattdessen jeden Tag neue Verordnungen gemacht werden, die jede unternehmerische Tätigkeit erschweren. Ein bürokratisches Landesnaturschutzgesetz, Tariftreuegesetz, Hygiene-Ampel - das sind Behinderungen für jeden, der etwas unternehmen will.

Also besteht Ihr Wirtschaftsprogramm nur aus der Rückabwicklung rot-grüner Initiativen?

Laschet Nein. Aber das Erste ist: Die Wirtschaft braucht Luft zum Atmen. Eine Regierung selbst schafft keine Arbeitsplätze. Aber sie kann das Land zu einem attraktiven Standort machen, auch indem sie möglichst wenig reguliert. Wir müssen alle Gesetze und Verordnungen auf den Prüfstand stellen und möglichst viel abschaffen. Ganz frei ist Berlin übrigens auch nicht von Überregulierung. Das ist zum Teil der großen Koalition geschuldet.

Was würden Sie denn konkret anders machen, wenn Sie Ministerpräsident würden?

Laschet Wir würden als Erstes den Landesentwicklungsplan revidieren, um Raum zu schaffen, eine Planungsoffensive für Infrastruktur auf den Weg bringen, um endlich die Gelder des Bundes zu verbauen, und Hochschulfreiheit wieder einführen, um Innovation zu fördern. Von jedem Minister, der etwas Neues regeln will, würde ich erwarten, dass er eine Vorschrift abschafft. Darüber hinaus würde ich als Ministerpräsident für unser großes Land in Berlin kämpfen. Dass sich Frau Kraft dort verabschiedet hat, war ein Fehler, der NRW geschwächt hat.

In der Braunkohlepolitik überholen Sie Frau Kraft ja links und wollen Strukturen erhalten...

Laschet Ist es links, für Industriearbeitsplätze zu kämpfen? Und ist es sinnvoll, eine ganze Region vorzeitig in den Kohleausstieg zu treiben, obwohl der Einfluss der NRW-Braunkohle auf das Weltklima kaum messbar ist? Der Strom muss ja trotzdem irgendwo herkommen.

Loveparade, SEK-Affäre, Einbruchszahlen, Kölner Silvesternacht: Wie haben Sie es geschafft, dass Ralf Jäger immer noch Innenminister ist?

Laschet Das müssen Sie Frau Kraft fragen. Sie meint offenkundig, dass Herr Jäger der Beste ist, den sie finden kann.

Aber Sie haben den Rücktritt ja nicht einmal gefordert.

Laschet Weil ständige Rücktrittsforderungen Albernheiten sind. Herr Jäger genießt das Vertrauen von Frau Kraft. Nicht meins. Und auch nicht das der Menschen.

War schädlich für Sie, dass Schwarz-Gelb an der Polizei gespart hat?

Laschet Das ist zehn Jahre her. Und entgegen der rot-grünen Legendenbildung hat Schwarz-Gelb damals mehr eingestellt, als die Vorgängerregierung Steinbrück zuvor geplant hatte. Frau Kraft duckt sich weg und lastet alles, was in NRW schiefläuft, der fünfjährigen CDU/FDP-Regierung an. Das ist zu billig. Die Bilanz der Amtszeit Jäger ist: Rekordeinbruchszahlen, Versechsfachung der Zahl der Salafisten, Vervierfachung der Rockerzahlen.

Wie viele zusätzliche Polizisten braucht NRW?

Laschet Eine exakte Zahl kann man nicht festlegen.

Warum nicht?

Laschet Weil wir das gerade bei der Auswertung der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur Polizeistruktur prüfen und weil es die Diskussion verengt. Neben mehr Personal braucht es auch eine bessere Organisation und mehr Befugnisse: Wir brauchen Polizeiverwaltungsassistenten, um mehr Polizei auf die Straße zu bringen, "Predictive Policing" zur vorausschauenden Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen, Telekommunikationsüberwachung von Banden, Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, Schleierfahndung in Grenzgebieten.

Werden Sie ein ministrables Team präsentieren?

Laschet Wir werden mit einem Team in den Wahlkampf gehen. Für die Aufgabe braucht man eine gute Mannschaft. In dem Team könnten auch Persönlichkeiten außerhalb der Parteipolitik sein.

Bleiben Sie auch in NRW, wenn Sie die Wahl verlieren?

Laschet Mein Platz ist in Nordrhein-Westfalen. Der Landesvorsitzende der NRW-CDU sollte Mitglied des Landtages sein. Das hat sich bewährt.

Warum haben Sie als letzte Partei im Landtag ein Konzept für eine Gymnasialreform vorgelegt?

Laschet Wir haben uns Zeit genommen, Schülern, Eltern und Lehrern zuzuhören - und dann ein Konzept vorgelegt, das umsetzbar ist und dauerhaft Ruhe an die Schulen bringt. Wir ermöglichen ein echtes G 9. Die Schulen, die G 8 weiterhin wünschen, können ohne Veränderung weiterarbeiten.

Warum drücken Sie sich vor der Turbo-Abi-Entscheidung?

Laschet Die Schulen können besser entscheiden, ob G 8 oder G 9 dort funktioniert. Aber G 8/G 9 ist nicht das Hauptproblem. Alle Schulen leiden unter Unterrichtsausfall, der Konzeptlosigkeit von Rot-Grün für die Unterrichtung Zehntausender Flüchtlingskinder und der unterfinanziert wie planlos eingeführten Inklusion. Wir brauchen ein Moratorium: Keine Förderschule darf geschlossen werden. Die Inklusion darf erst fortgesetzt werden, wenn es genug Geld und Personal gibt.

Wie sanieren Sie den Haushalt?

Laschet Wenn es uns gelingt, die Steuer- und Wirtschaftskraft zu stärken, haben wir mehr Steuern ...

... das ist die einfachste Politikerantwort und ein Hoffnungswert. Wo wollen Sie sparen?

Laschet Mehr Wirtschaftswachstum ist kein Hoffnungswert, sondern möglich. Der Finanzminister plant für 2017 immer noch 1,6 Milliarden Euro neue Schulden ein, trotz Rekordsteuereinnahmen und historischen Niedrigzinsen.

Ihr konkreter Vorschlag?

Laschet Wo sind die sprudelnden Steuermehreinnahmen der letzten Jahre geblieben? Vieles wurde in unsinnige Klientelprogramme gesteckt.

Sparvorschlag?

Laschet Weniger Bürokratiepersonal in Ministerien, weniger Förderprogramme für ideologische Spielwiesen. Auch beim Sozialticket, das kaum Wirkung erzielt, und bei der Beitragsfreiheit in Kitas haben wir Haushaltsanträge gestellt. Wichtiger für die Bildungsqualität sind kleinere Gruppen und eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen. Dafür muss man vorhandene Gelder umschichten. Aber zu Ihrer Beruhigung: Ich bin sicher, dass sich beim Kassensturz nach der Landtagswahl manches finden lässt, was eingespart werden kann. Auch der jetzige Finanzminister findet ja jetzt vor der Wahl immer noch Geld für Wahlgeschenke.

Würden Sie die Studiengebühren wieder einführen?

Laschet In der alten Form sind Studiengebühren kein Thema. Aber ich halte es für ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, mindestens über Modelle nachzudenken, wie wir diejenigen finanziell an der akademischen Ausbildung beteiligen, die später nachweislich mehr verdienen. Dass Pfleger für ihre Ausbildung zahlen und Ärzte nicht, ist schräg.

Würden Sie auch eine Koalition bilden, wenn die CDU hinter der SPD liegt?

Laschet Wer eine mehrheitsfähige Regierung bilden kann, wird Ministerpräsident. Dazu muss man nicht stärkste Partei im Landtag sein.

Sie schließen die Jamaika-Koalition nicht aus. FDP und Grüne wollen Cannabis erlauben. Was halten Sie von einem Jamaika-Coffeeshop in Düsseldorf?

Laschet Gibt es nicht. Das machen wir nicht mit.

Haben Sie schon mal gekifft?

Laschet Nein.

Auch nicht wie Bill Clinton, ohne zu inhalieren? Sie wissen ja gar nicht, worüber Sie reden.

Laschet (lacht) Nein. Aber im Ernst: Ein enger Verwandter meiner Frau hat Drogen genommen und sich ruiniert. Das war für mich seit meiner Jugendzeit eine Warnung.

MICHAEL BRÖCKER UND THOMAS REISENER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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