Essen Merkel: "Ihr müsst mir helfen"

Essen · Auf dem Bundesparteitag in Essen hat Angela Merkel die CDU zur Geschlossenheit aufgerufen. Bei ihrer Wiederwahl zur Parteivorsitzenden musste die 62-Jährige einen Dämpfer hinnehmen.

Der CDU-Bundesparteitag in Essen hat gestern Angela Merkel erneut zur Parteivorsitzenden gewählt - mit ihrem bisher zweitschlechtesten Ergebnis. Die 62-Jährige bekam 89,5 Prozent der gültigen Stimmen. Zuletzt hatte sie vor zwei Jahren 96,7 Prozent erhalten. Merkel ist damit zum neunten Mal CDU-Chefin. Sie steht seit fast 17 Jahren an der Spitze der Partei und will sie 2017 zum vierten Mal als Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf führen.

Der Dämpfer dürfte auf den Unmut an der Parteibasis wegen der Flüchtlingspolitik und der fünf verlorenen Landtagswahlen 2016 zurückzuführen sein. In ihrer Rede hatte sich Merkel selbstkritisch gegeben und betont, dass sie der Partei einiges zugemutet habe. "Ich kann euch nicht versprechen, dass die Zumutungen weniger werden", fügte sie hinzu. Die Welt sei instabiler geworden. Eindringlich appellierte Merkel an die Geschlossenheit der Partei: "Ihr müsst mir helfen."

Deutlicher als bisher betonte die CDU-Chefin, dass Deutschland die Flüchtlingsbewegungen des Jahres 2015 nicht erneut verkraften könne. "Eine Situation wie im Spätsommer 2015 kann, soll und darf sich nicht wiederholen. Das ist mein erklärtes politisches Ziel", sagte Merkel. Es sei selbstverständlich, dass nicht alle bleiben könnten. Als Merkel das Verbot der Vollverschleierung begründete ("Wir zeigen Gesicht"), brandete Applaus auf. "Unser Recht hat Vorrang vor Stammesregeln und Scharia", so die CDU-Vorsitzende.

In der Wirtschaftspolitik gab Merkel dem konservativen Parteiflügel nach. Die CDU wolle auch über 2017 hinaus "grundsätzlich" keine Steuererhöhungen, betonte sie. Besonders gelte dies für die Erbschaft- oder Vermögensteuer. Das Wort "grundsätzlich" werteten einige als Hintertürchen, im Ausnahmefall doch an der Steuerschraube zu drehen. Leidenschaftlich wandte sich Merkel gegen Rechtspopulisten, die mit "Wir sind das Volk"-Parolen gegen die etablierten Parteien demonstrieren. "Wer bei uns das Volk ist, bestimmt bei uns das ganze Volk und nicht ein paar Wenige. Mögen sie auch noch so laut sein." Mit persönlichen Worten erinnerte Merkel an ihre erste Rede als Parteivorsitzende an gleicher Stelle in Essen vor 16 Jahren. Sie wolle Deutschland dienen, habe sie damals gesagt. "Daran habe ich mich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, mich zu orientieren." Die Delegierten applaudierten nach Merkels 78-minütiger Rede stehend rund elf Minuten lang. Ex-NRW-Finanzminister Helmut Linssen sprach von einer "starken Rede". In der Asyl- und Wirtschaftspolitik gebe es "einen Schwenk nach rechts". Baden-Württembergs Innenminister und CDU-Vize Thomas Strobl, der mit seinem scharfen Asylantrag vor dem Parteitag für Aufsehen gesorgt hatte, zeigte sich zufrieden. "Die neue Tonalität der Kanzlerin gefällt mir. Herz und Härte." In der Aussprache gab es aber auch Kritik an Merkel. Eine Delegierte beklagte, die CDU habe es ermöglicht, "dass sich am rechten Rand die AfD gebildet hat. Dieses Terrain werden wir nicht zurückgewinnen".

NRW-CDU-Chef Armin Laschet gab sich kämpferisch im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl. Er wolle Horst Seehofer zu Wahlkampfterminen einladen, damit die Nordrhein-Westfalen endlich "einmal einen erfolgreichen Ministerpräsidenten erleben", so Laschet. Bei den Ergebnissen zur Wahl der Stellvertreter Merkels stärkten die Delegierten Laschet allerdings nur unzureichend den Rücken. Aus NRW wurden in den Bundesvorstand unter anderem Ralf Brauksiepe, Elmar Brok, Hermann Gröhe, Serap Güler, Peter Liese, Sabine Weiss und Otto Wulff gewählt.

(brö)
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