Nie wieder Judenhass Merkel sieht Kampf gegen Antisemitismus als staatliche Pflicht

Belrin · Vor rund 6000 Zuhörern am Brandenburger Tor im Herzen Berlins hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern ein deutliches Zeichen gegen den Antisemitismus gesetzt. "Der Kampf gegen Antisemitismus ist unsere staatliche und bürgerschaftliche Pflicht", sagte die Kanzlerin. Sie machte deutlich, dass jüdisches Leben in Deutschland Teil "unserer Identität" sei. "Wer einen Menschen mit Kippa schlägt, schlägt uns alle", sagte die Kanzlerin.

Unter der Überschrift "Steh auf! Nie wieder Judenhass" hatten sich gestern Nachmittag unter dem grauen Berliner Himmel Spitzenpolitiker, Vertreter des öffentlich jüdischen Lebens in Deutschland und andere Bürger zu einer Kundgebung gegen Antisemitismus versammelt. Zu den Anwesenden zählte als Ehrengast Bundespräsident Joachim Gauck. Gekommen waren auch alle Fraktionschefs der Parteien im Bundestag, Vizekanzler Sigmar Gabriel, der frühere Bundespräsident Christian Wulff und der ehemalige Außenminister Joschka Fischer.

Der Zentralrat der Juden hatte die Solidaritätskundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin insbesondere wegen jüngsten Ausschreitungen in Deutschland gegen Juden initiiert. Im Juli gab es wegen des eskalierten Militärkonflikts im Gaza-Streifen eine Serie von antisemitischen Vorfällen wie tätliche Angriffe gegen Juden, Hassparolen, die öffentlich gerufen wurden, und Sachbeschädigungen an jüdischen Einrichtungen. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, sprach von einer "schauderhaften Welle" des Antisemitismus. Er ließ das Argument nicht gelten, dass sich die antisemitische Stimmung wegen des Gaza-Konflikts hochgeschaukelt habe. "Wer wegen Israel zum Antisemiten wird, der war längst einer", sagte Graumann. Wenn Hassparolen gegen Juden gebrüllt würden - dann habe das mit Kritik an israelischer Politik nicht das Geringste zu tun. Das sei "der pure, der widerwärtige Antisemitismus und gar nichts sonst". Er rief auch die Muslime in Deutschland dazu auf, mehr dafür zu tun, den "katastrophalen Judenhass" in ihren Reihen zu bekämpfen.

Auch die christlichen Kirchen meldeten sich zu Wort: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sieht auch die Christen in der Pflicht, den Antisemitismus zu bekämpfen. Antijudaismus sei seit nahezu 2000 Jahren auch und gerade aus christlicher Theologie und kirchlicher Lehre heraus erwachsen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, forderte auf, sich gegen Judenhass zu stellen. "Der Hass der Wenigen wird mächtig durch das Schweigen der Vielen", sagte er.

(qua)
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